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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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141gemeinschaft zurückgreifen, um die genannten Sätze <strong>als</strong> in charakteristischerWeise zusammenhängend zu verstehen. Ausgangspunkt waren dabei folgendeFragen: Warum verstehen wir, dass es <strong>sich</strong> bei der „mommy“ um die Mutter desBabys handelt und dass sie ihr Kind auf den Arm nimmt, weil es weint? An derSatzoberfläche sind weder die Zugehörigkeit von Mutter und Kind noch die kausaleVerbindung zwischen dem weinenden Kind und der Mutter, die es auf denArm nimmt, zu erkennen. Hier kommen die spezifischen Eigenschaften des vonSacks entwickelten Apparates ins Spiel.Ein MCD besteht aus Kollektionen von Kategorien und mit diesen Kategorienverknüpften Annahmen <strong>über</strong> typische Verhaltensweisen. Kollektionen sind dabeizu verstehen <strong>als</strong> Gruppierung verschiedener Kategorien unter einem Oberbegriff.Das Baby und seine Mutter etwa gehören zur <strong>über</strong>geordneten Kollektion „Familie“,genau so wie etwa „Vater“, „Bruder“, „Schwester“ usw. Kollektionen sorgenda<strong>für</strong>, dass Gruppen von Personen schnell und ökonomisch kategorisiert werdenkönnen 87 : Wenn auf eine Person aus einer Gruppe eine Kategorie einer bestimmtenKollektion angewendet werden kann (z.B. „mommy“), dann ist wahrscheinlich,dass weitere Kategorien aus dem gleichen MCD auf weitere Personen zutreffen– z.B. das Baby, das auf den Arm genommen wird. Diese Folgerung fasstSacks <strong>als</strong> "consistency rule" zusammen. Aus dieser Regel kann eine Maxime abgeleitetwerden: „If there are two categories used, which can be found to be partof the same collection, hear them as part of the same collection [...].“ (ebd., S.239). Diese Maxime sorgt da<strong>für</strong>, dass „baby“ nicht <strong>als</strong> zugehörig zur Kollektion„Lebensabschnitt“ verstanden wird (Baby – Kind – Teenager – Jugendlicher –Erwachsener), sondern eben <strong>als</strong> Familienmitglied – denn einige Kategorien könnenzu mehreren MCDs gehören. „Familie“ transportiert weiterhin Wissen <strong>über</strong>eine bestimmte Organisation, <strong>über</strong> eine bestimmte typische Zusammensetzungihrer Mitglieder – die Kollektion ist, so Sacks, <strong>als</strong> eine bestimmte Art von "team"zu betrachten - , das im Falle der Familie zu Sacks’ Zeiten typischerweise auseiner Mutter, einem Vater und einer beliebigen Anzahl Kinder bestand. 88Sacks geht weiterhin von sog. „category bound activities“ aus, <strong>als</strong>o Handlungen,die typischerweise mit bestimmten Kategorien verbunden sind. So wie „cry“ einetypische Handlung <strong>für</strong> „baby“ ist, so ist „pick up“ eine typische und erwartbareHandlung <strong>für</strong> „mommy“. Die Verbindung von typischen Tätigkeiten mit entsprechendtypischen ‚TäterInnen’ ist im Sinne einer kognitiven Entlastung zu verstehen,denn sie erlaubt die Schlussfolgerung, dass Personen, die eine dieser typischenHandlungen ausführen, VertreterInnen der jeweils assoziierten Kategoriesind (vgl. ebd., S. 179). Die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die mit denMitgliedern einer Kategorie assoziiert sind, sind gleichzeitig „protected againstinduction“ (ebd., S. 336): Wenn eine Kategorie typischerweise mit einer bestimmtenAktivität einhergeht, so machen Ausnahmen von dieser Regel nicht automa-8788Vgl. Edwards (1991) <strong>für</strong> die psychologischen und kognitiven Grundlagen des Kategorisierens.Am Beispiel der Kollektion „Familie“ ist deutlich erkennbar, dass das durch Kategorientransportierte Wissen nicht starr, sondern flexibel und veränderlich ist: Inwieweit eine typischeFamilie im 21. Jahrhundert noch aus der klassischen Trias Mutter-Vater-Kind besteht,ist in Zeiten von Patchworkfamilien und anderen Familienmodellen fraglich.

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