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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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784.2.3 Narrative Identität aus gesprächsanalytischer Perspektive Sowohl Alltagserzählungen <strong>als</strong> auch Interviewerzählungen sind "multi-type texts"(Virtanen 1992), die mehrere Funktionen erfüllen können (z.B. Argumentation,Beleg, Hervorbringung von Erheiterung). Eine <strong>über</strong>geordnete Funktion, unter diealle anderen Funktionen subsumiert werden können, besteht darin, den ErzählerInneneinen Ort zur Konstruktion von vergangenen und aktuellen Identitäten zurVerfügung zu stellen und mithin narrative Identität zu produzieren. Lucius-Hoene& Deppermann (2004a) verorten narrative Identität "unmittelbar in den sprachlichenPraktiken alltäglicher Erzählungen" (ebd., S. 55). Von besonderem Interessesind dabei die konkreten <strong>Verfahren</strong>, mit denen die SprecherInnen <strong>sich</strong> <strong>selbst</strong> undihre individuelle, biographische Geschichte sprachlich rekonstruieren, denn diese<strong>Verfahren</strong> bilden den Kern der narrativen Identität. Selbige ist <strong>als</strong>o zu beschreiben<strong>als</strong>die Art und Weise, wie ein Mensch in konkreten Interaktionen Identitätsarbeit<strong>als</strong> narrative Darstellung und Herstellung von jeweils situativ relevantenAspekten seiner Identität leistet. Unter narrativer Identität verstehen wir einelokale und pragmatisch situierte Identität, die durch eine autobiographischeErzählung hergestellt und in ihr dargestellt wird. (ebd.)Des Weiteren identifizieren sie verschiedene Dimensionen, auf denen narrativeIdentitätsarbeit stattfindet (ebd., S. 56ff.):-­‐ Die temporale Dimension - hier wird verschiedenen Ereignissen z.B.durch kausale oder finale Erzählweise Sinn zugeschrieben; auch die Artder Zeitdarstellung <strong>selbst</strong> ist von Interesse <strong>für</strong> die Analyse. Gleiches gilt<strong>für</strong> die Frage, inwieweit <strong>sich</strong> das Individuum <strong>selbst</strong> <strong>als</strong> handlungsmächtigdarstellt.-­‐ Die soziale Dimension - hier geht es vor allem darum, wie <strong>sich</strong> das Individuumin Relation zu anderen ProtagonistInnen konstruiert; diese Dimensionwird im nächsten Kapitel noch eine wichtige Rolle spielen, da in diesemZusammenhang auch Positionierungsprozesse relevant sind.-­‐ Die <strong>selbst</strong>bezügliche Dimension - diese Dimension betrifft Aussagen, diedie erzählende Person z.B. durch Positionierungsaktivitäten mittelbar oderunmittelbar <strong>über</strong> <strong>sich</strong> <strong>selbst</strong> tätigt. Auch dieser Aspekt wird im nächstenKapitel genauer betrachtet werden.Lucius-Hoene (2000, Abs. 4) betont weiterhin, dass die narrative Rekonstruktionautobiographischer Erfahrung nicht ausschließlich dazu dient, dem Gegen<strong>über</strong> dieeigene Biographie plausibel zu machen, sondern auch der Plausibilisierung <strong>sich</strong><strong>selbst</strong> gegen<strong>über</strong>. Demzufolge konzeptualisiert sie autobiographisches Erzählen<strong>als</strong> "Prozeß der aktuellen Identitätsherstellung und einer <strong>sich</strong> im Erzählen vollziehendenBewältigungsleistung" (ebd.). Eine solche Situiertheit der narrativen Identitäthat zur Folge, dass durch die sie konstituierenden <strong>Verfahren</strong> niem<strong>als</strong> diekomplette Identität einer Person abgebildet werden kann, sondern immer nur eine<strong>für</strong> den jeweiligen Kontext relevante Facette. Dies gilt <strong>für</strong> Alltags- und Interviewerzählungengleichermaßen.

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