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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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794.2.3.1 Narrative Identität im Alltag und im Interview Bamberg (2009, S. 133) bezeichnet Erzählungen <strong>als</strong> "privileged site for identityanalysis". In der Tat sind in der linguistischen Erzählforschung der letzten 20 Jahrevermehrt Studien zu finden, die <strong>sich</strong> unter verschiedenen Schwerpunkten mitder Konstruktion narrativer Identität in Alltagserzählungen befassen.Schiffrin (1996) beschäftigt <strong>sich</strong> mit den Erzählungen zu Mutter-Tochter- bzw.Mutter-Schwiegertochter-Beziehungen, und konzentriert <strong>sich</strong> dabei auf die Artund Weise, wie in diesen Erzählungen das Selbstbild der jeweiligen Erzählerinkonstruiert und transportiert wird. Die Erzählerin ist jedes Mal die Mutter, die vonfamiliären Ereignissen berichtet, während derer die Tochter bzw. Schwiegertochter<strong>sich</strong> in einer Weise verhalten hat, die den familiären Erwartungen widersprochenhat. Über den Kontrast zur Tochter bzw. Schwiegertochter konstruieren dieerzählenden Mütter so ein Selbstbild, das die z.T. schwierigen Beziehungen zurjeweils anderen widerspiegelt. Individuelle Wertvorstellungen werden ebensothematisiert wie die Rechtfertigung eigenen Verhaltens und die <strong>als</strong> subjektivschwierig empfundene Aufgabe, mit der jeweils anderen umzugehen. Schiffrinbezeichnet Erzählungen hier <strong>als</strong> Mittel, mit dem das Selbst <strong>als</strong> Bestandteil einer"cultural matrix of meanings, beliefs, and practices" (ebd., S. 194) konstruiertwerden kann. Sie vergleicht das Erzählen autobiographischer Ereignisse mit einemsprachlichen "[...] self-portrait: a linguistic lens through which to discoverpeoples' own (somewhat idealized) views of themselves as situated in a soci<strong>als</strong>tructure." (ebd., S. 199). Auch Gruppenidentität kann narrativ gebildet werden:De Fina (2006) analysiert die Erzählungen mexikanischer USA-EinwanderInnenund zeigt auf, dass nicht nur gemeinsame oder zumindest ähnliche Erfahrungengrundlegend <strong>für</strong> die Bildung von Gruppenidentität <strong>als</strong> „Hispanics“ sind, sondernauch daraus resultierende Weltanschauungen und Wertvorstellungen, die durchdie Erzählungen repräsentiert werden. Auch hier spielen Kategorisierungsaktivitäteneine wichtige Rolle.Narrationen spielen auch in der Identitätskonstruktion Jugendlicher eine wichtigeRolle. Georgakopoulou (2003, 2006, 2007a, 2008) zeigt, dass konversationelleErzählungen eine wesentliche kommunikative Praxis <strong>für</strong> Jugendliche sind, mit dersie sowohl individuelle <strong>als</strong> auch Gruppenidentitäten konstruieren, aushandeln undmodifizieren. In diesem Zusammenhang spricht sie <strong>sich</strong> explizit da<strong>für</strong> aus, in dergesprächsanalytischen Forschung zum Zusammenhang zwischen Identität undErzählung nicht ausschließlich die sog. "big stories" im Blick zu haben (auf die,der Labov’schen Erzählanalyse folgend, in Form von Lebensgeschichten vor alleminnerhalb narrativer Interviews abgezielt wird), sondern auch sog. "small stories"(v.a. Georgakopoulou 2007a sowie Bamberg & Georgakopoulou 2008) zubeachten. Deren Besonderheit besteht darin, dass sie keine klar umgrenzten narrativenEinheiten sind, sondern mit ihrer konversationellen Umgebung verschmelzen.Georgakopoulou (2007a, S. 36ff.) zufolge erfüllen diese „small stories“ aberfolgende Minimalbedingungen von Erzählungen: Sie rekonstruieren den zeitlichenVerlauf eines Ereignisses, das seinerseits ein Problem oder eine Komplikationbeinhaltet, das/die aufgelöst werden muss. Die Erzählwürdigkeit der jeweiligen„small story“ wiederum ist stark mit dem Common Ground der Beteiligten verknüpftund erklärt <strong>sich</strong> z.T. ausschließlich daraus. „Small stories“ können z.B.Erzählungen <strong>über</strong> zukünftige, gemeinsame Aktivitäten von Gruppen sein, die ih-

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