13.07.2015 Aufrufe

Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

18selseitiges Verstehen ist ebenso eine gemeinsame Hervorbringung der SprecherInnenwie andere Formen sozialen Handelns auch. Sprachliches Handeln zeichnet<strong>sich</strong> durch folgende Merkmale aus:The anticipation that persons will understand, the occasionality of expressions,the specific vagueness of references, the retrospective-prospective senseof a present occurence, waiting for something later in order to see whatwas meant before, are sanctioned properties of common discourse. (vgl.Garfinkel 1967, S. 41)So genannte „common understandings“ (vgl. ebd, S. 38) der AkteurInnen sind nurdeshalb möglich, weil die SprecherInnen <strong>sich</strong> wechselseitig einerseits permanentund stillschweigend Sinnhaftigkeit unterstellen, andererseits aber auch schon inder Äußerungsproduktion Hinweise darauf geben, wie sie eigene Beiträge vomGegen<strong>über</strong> verstanden haben wollen: Sowohl sprachliches <strong>als</strong> auch nichtsprachlichesAlltagshandeln hat dokumentarischen Charakter; es ist „observableand-reportable,i.e. available to members as situated practices of looking-andtelling“(ebd., S. 1). Diese Hinweise <strong>für</strong> das konkrete Gegen<strong>über</strong> – „accounts“ 8(vgl. ebd.) – sind nicht nur <strong>für</strong> die SprecherInnen eine verfügbare Interpretationsressource<strong>für</strong> das Handeln des Gegen<strong>über</strong>s, sondern auch den Forschenden <strong>selbst</strong>zugänglich und können somit Gegenstand von Analysen sein. Die grundsätzlicheEigenschaft von Handlungen, nämlich im Handeln <strong>selbst</strong> schon Hinweise auf diejeweils zu Grunde liegende Handlungsintention und die <strong>sich</strong> dahinter verbergendeInterpretation vorangegangener Handlungen zu geben, wird <strong>als</strong>o methodisch gewendetund somit zum analyseleitenden Prinzip gemacht.Die von Sacks entwickelte Konversationsanalyse ist <strong>als</strong> auf sprachliche Interaktionbezogene, systematische Weiterentwicklung der Ethnomethodologie zu verstehen.Gespräche <strong>als</strong> „prototypischer Ort des sozialen Lebens“ (Gülich & Mondada2008, S. 14) liefern die Datengrundlage, anhand derer die Konstruktion sozialerRealität qua Sprache analytisch rekonstruiert wird. Das Erkenntnisinteresse derKonversationsanalyse besteht in Sacks’ eigenen Worten darin, „methods personsuse in doing social life“ (Sacks 1984a, S. 21) zu beschreiben. Die Alltagspraktikender SprecherInnen stehen, wie auch in der Garfinkel'schen Ethnomethodologie,im Zentrum - ein Gegenstand, der zu Sacks' und Garfinkels Zeit nicht dentraditionellen „big issues“ (ebd., S. 22) zeitgenössischer sozialwissenschaftlicherForschung entsprach. Die Konversationsanalyse teilt mit der Ethnomethodologiedie oben beschriebene „analytische Mentalität“ (Schenkein 1978a, S. 6): Das Alltagswissender Forschenden wird auch hier zugunsten einer anthropologisch verfremdetenPerspektive auf die zu untersuchenden Gesprächsphänomene eingeklammert.Weiterhin gilt der Grundsatz der „ethnomethodologischen Indifferenz“(Garfinkel 1967, S. 33): Analytische Schwerpunkte und letztlich auch der Untersuchungsgegenstand<strong>selbst</strong> ergeben <strong>sich</strong> aus der Auseinandersetzung mit den Datenund werden nicht schon im Vorfeld an diese herangetragen (im Sinne von zu8Im konversationsanalytischen Kontext gibt es unterschiedliche Definitionen des Account-Begriffs. Ich beziehe mich hier auf einen weiten Account-Begriff, der <strong>sich</strong> im Gegensatz zurengeren Variante nicht nur auf Rechtfertigungen oder Entschuldigungen bezieht (vgl. dazuz.B. Scott & Lyman 1968), sondern auch handlungsbegleitende Äußerungen wie Erklärungenund Zuschreibungen umfasst (vgl. Heritage 1988).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!