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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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73sondern sie – den Perlen auf der Schnur der Erinnerung gleich - aktiv auswählen,arrangieren und narrativ in einer Form präsentieren, die die Genese einer bestimmtenFacette des Selbst nachzeichnet (z.B. die berufliche Identität). Die forschendePerson greift <strong>als</strong>o in der Analyse auf eine bereits von den SprecherInnenvorinterpretierte sprachliche Gestalt zu, in welcher deren Sinnzuschreibungen undDarstellungen kausaler Zusammenhänge mit verschiedenen kommunikativen <strong>Verfahren</strong>präsentiert werden (vgl. Lucius-Hoene 2010).4.2.1 Exkurs: Narration und Identitätskonstruktion Unterschiede in den konkreten Konzeptionen narrativer Identität zeigen <strong>sich</strong> vorallem darin, welchen Stellenwert die Narration <strong>selbst</strong> im Kontext der jeweiligenDisziplin hat (<strong>für</strong> einen genaueren Überblick vgl. Lucius-Hoene 2000, Abs. 11ff.oder Bamberg 2009).Im literaturwissenschaftlich-philosophischen Kontext ist narrative Identität engmit dem Namen Ricoeur verbunden. Hier sind schriftliche Erzählungen der Gegenstand;an ihnen wird demonstriert, wie Personen ihre eigene Zeitlichkeit narrativverarbeiten und <strong>sich</strong> dabei trotz zeitlichem Wandel und mit ihm einhergehenderVeränderungen <strong>als</strong> kohärentes Selbst begreifen. Ricoeur (2007, S. 399) definiert"narrative Identität" wie folgt:Zunächst ist die narrative Identität keine stabile und bruchlose Identität; genausowie man verschiedene Fabeln bilden kann, die <strong>sich</strong> alle auf dieselbenVorkommnisse beziehen (die man jetzt nicht mehr dieselben Ereignisse nennesollte), genauso kann man auch <strong>für</strong> sein eigenes Leben stets unterschiedliche,ja gegensätzliche Fabeln ersinnen. [...] So gesehen ist die narrative Identitätin ständiger Bildung und Auflösung begriffen, und die Vertrauensfrage,die Jesus seinen Jüngern stellt – Wer saget ihr, dass ich sei? – kann jeder <strong>sich</strong><strong>selbst</strong> stellen und dabei dieselbe Ratlosigkeit verspüren wie die von Jesus befragtenJünger. Die narrative Identität ist mithin mindestens ebenso sehr derName eines Problems wie der einer Lösung.Narrative Identität ist in diesem Verständnis ein Modus der Identitätsstiftung, mitdem Personen <strong>sich</strong> der Kohärenz des Selbst vergewissern - und dies ist auf so vieleArten möglich, wie Perspektiven auf die eigene Biographie gefunden werdenkönnen. Die Kohärenz der eigenen Identität ist hier <strong>als</strong>o vor allem eine Momentaufnahme,ein durch den Vorgang des Erzählens geschaffenes Produkt.Für die Diskurs-/narrative Psychologie ist die Erzählung eine "root metaphor"(Sarbin 1986, S. 3), mit der Erzählen <strong>als</strong> grundlegender Modus <strong>für</strong> die Konstitutiondes Selbst begriffen wird. Von Interesse sind dabei u.a. die verschiedenenMöglichkeiten der Ereignisrekonstruktion: In welchen narrativen Genres rekonstruierenPersonen Erlebtes? Ist die erzählende Person ProtagonistIn einer Komödie,eines Melodrams, einer Romanze oder einer Tragödie? Oder erscheint diepersönliche Erzählung <strong>als</strong> Heldengeschichte, die entlang einer Dichotomie von'gut' vs. 'schlecht' aufgespannt wird? Auch die Frage nach den Veränderungen, diedie Person <strong>sich</strong> in ihrer Entwicklung <strong>über</strong> die Zeit hinweg zuschreibt, ist von Belang:Geht sie weitestgehend unverändert aus ihrer Biographie hervor? Verändertsie <strong>sich</strong> zu ihrem Vorteil oder gar zu ihrem Nachteil? (vgl. dazu z.B. Gergen &Gergen 1983, Sarbin 1986, Polkinghorne 1991, die Beiträge in Lieblich & Josselson1993 bzw. 1994, Gregg 2006). Narrative Identität beschreibt in diesem Zu-

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