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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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34einem gesprächsrhetorischen <strong>Verfahren</strong> gesprochen werden: Die Gemeinsamkeitzu denjenigen <strong>Verfahren</strong>, die in konfliktträchtigen Situationen zur Anwendungkommen, besteht darin, dass es <strong>sich</strong> auch bei Selbstdarstellungsaktivitäten umsolche Äußerungen handelt, bei denen die Kommunikation subjektiver Inhalte imVordergrund steht. Darin ähnelt Selbstdarstellung <strong>als</strong> gesprächsrhetorisches <strong>Verfahren</strong>solchen <strong>Verfahren</strong>, die im Zusammenhang mit der kommunikativen Darstellungvon Extremsituationen subjektiven Empfindens (Panikattacken, Anfallserlebnisse,religiöse Bekehrungsmomente etc.) beschrieben werden (vgl. z.B.Bergmann 2000, Gülich 2005, Günthner 2006): Die SprecherInnen befinden <strong>sich</strong>"im Gespräch mit einem Gegen<strong>über</strong>, das <strong>über</strong> entsprechende Erfahrungen nichtverfügt." (Günthner 2006, S. 125). Dies gilt in ähnlicher Form auch <strong>für</strong> das eigeneSelbst - InterviewerIn und InterviewteR kennen einander kaum bis flüchtig, sodass schon vorhandene Interpretationen des Gegen<strong>über</strong>s bei den Beteiligten nichtvorausgesetzt werden können. Die Aufgabe der SprecherInnen besteht <strong>als</strong>o darin,den 'intersubjektiven Raum' bis zum Gegen<strong>über</strong> zu durchschreiten - Schütz &Luckmann (2003, S. 592ff.) bezeichnen solche Situationen <strong>als</strong> "Grenz<strong>über</strong>schreitungen",die die individuellen Erfahrungen transzendieren:Alles, was <strong>sich</strong> dem Menschen <strong>als</strong> nicht von ihm, <strong>als</strong> nicht eigentlich Seinesdarstellt, erfährt er eben nicht <strong>als</strong> Ich und <strong>als</strong> sein Eigenes, sondern <strong>als</strong> eineandere, ihn <strong>über</strong>steigende Wirklichkeit. (ebd., S. 594)Im Gegensatz zu "kleinen Transzendenzen" (ebd., S. 598ff.), die die Grenzen dereigenen räumlich-zeitlichen Erfahrung aufzeigen (z.B. wenn ich meinen Haustürschlüsselvergessen habe und feststelle, dass er mir in der aktuellen Situation nichtzur Verfügung steht) oder "großen Transzendenzen" (ebd., S. 614ff.), die auf andereWirklichkeiten <strong>als</strong> die alltägliche Lebenswelt hindeuten (zu Letzteren zählenauch die genannten Extremsituationen subjektiven Empfindens), gilt die Interaktionmit anderen Personen <strong>als</strong> "mittlere Transzendenz". Um das Charakteristischedieser mittleren Transzendenzen darzustellen, lasse ich Schütz & Luckmann nunetwas ausführlicher zu Wort kommen:In den 'mittleren' Transzendenzen verweist jedoch die jeweils gegenwärtigeErfahrung auf ein anderes, das grundsätzlich nicht unmittelbar erfahren werdenkann. In dieser entscheidenden Hin<strong>sich</strong>t ist es <strong>als</strong>o belanglos, ob das inder gegenwärtigen Erfahrung angezeigte andere <strong>selbst</strong> gegenwärtig ist odernicht: Es kann immer nur mittelbar erfahren werden.Der Grund da<strong>für</strong>, daß das andere ist wie ich, ist: ein Anderer.Wenn ich einen Stein in meiner Reichweite sehe, sehe ich ihn eben, und damithat <strong>sich</strong> die Sache. Wenn ich einen anderen in meiner Reichweite sehe,muß ich feststellen, daß umgekehrt auch ich in seiner Reichweite bin: er siehtmich. Aber es ist klar, daß ich nur sehen kann, daß er mich sieht, nicht wie ermich sieht. Ich kann allerdings auch versuchen, ausfindig zu machen, wie ermich sieht, indem ich es an verschiedenen Hinweisen ablese. Wenn ich dabeierfolgreich bin, werde ich nicht nur erfahren, daß er mich sieht, sondern mitgrößerer oder geringerer Zuverlässigkeit auch wissen, wie er mich sieht; unmittelbarerfahren kann ich das natürlich nie, sonst wäre ja ich der Andere.[...] Die Erfahrung des Anderen beruht auf der Wahrnehmung der typischenGestalt eines Körpers, aber sie erschöpft <strong>sich</strong> nicht darin. Der Körper, den ichwahrnehme, verweist auf etwas, das ich nicht wahrnehmen kann, von demich aber 'weiß', daß es mit-gegenwärtig ist: ein Innen. In dem Wahrnehmungskernder Erfahrung ist mir der Andere von außen gegeben, aber ebennicht <strong>als</strong> ein bloßes Außen; in der vollen Erfahrung ist mir sein Innen mitgegeben.(ebd., S. 604, Hervorh. i. Orig.)

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