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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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193‚Danke, du kannst sie dir gerne einmal leihen’ oder ‚Ach, die habe ich imSchlussverkauf ergattert.’). Golato zeigt weiterhin, dass die Unterschiede im Reaktionsverhaltenkommunikative Differenzen auslösen können, wenn nämlichamerikanische und deutsche SprecherInnen aufeinandertreffen – die bestätigendenReaktionen wirken in den Ohren der amerikanischen SprecherInnen tendenziellwie ein Selbstlob und sorgen damit <strong>für</strong> Irritationen (verzögerte Reaktionen, Themenwechsel,o.ä.). Diese vermeintliche Nicht-Beachtung des „avoidance of selfpraiseconstraints“ ist allerdings ein Fehlschluss: Golato zeigt auf, dass die Vermeidungvon Selbstlob auch <strong>für</strong> die deutschen SprecherInnen eine wesentlicheOrientierungsgröße ist. Sie diskutiert in der Konsequenz den kulturell unterschiedlichenStellenwert von Komplimenten: Während <strong>für</strong> die amerikanischenSprecherInnen Komplimente primär unter dem Aspekt von Face-Work betrachtetwerden (hier vor allem <strong>als</strong> bestätigende <strong>Verfahren</strong>) und in den Reaktionen vorallem die soziale Funktion im Vordergrund steht, haben Komplimente im deutschenSprachraum einen weniger stark ritualisierten Charakter. Sie fungieren zwarauch <strong>als</strong> bestätigende Rituale (s. Kap. 3.2.3), werden aber nach Golato dar<strong>über</strong>hinaus viel stärker <strong>für</strong> bare Münze genommen, womit der intersubjektive Wahrheitsgehaltder enthaltenen Bewertungen die relevantere Orientierungsgröße <strong>für</strong>alle Beteiligten darstellt. Wenn allerdings von vorneherein angenommen wird,dass jedes geäußerte Kompliment intersubjektiv wahr ist, dann ist es auch nichtinteraktiv problematisch, in der beschrieben Weise zu reagieren, denn dann handeltes <strong>sich</strong> ja in den Augen der reagierenden SprecherInnen nicht um ein Selbstlob,das u.U. nicht gerechtfertigt sein könnte.Auch Speer (2012) beschäftigt <strong>sich</strong> mit der interaktiven Aushandlung von Komplimenten.Sie betrachtet zwar vor allem solche Äußerungen, in denen Selbstlobproduziert wird, doch da sie dies ausschließlich im Kontext von Komplimentenund unter besonderer Fokussierung auf das „avoidance of self-praise constraint“tut, besteht ihre Datengrundlage nur aus solchen Selbstlob-Aktivitäten, die <strong>als</strong>Folgeturn nach einem initialen Kompliment erfolgen. Im Gegensatz zu Pomerantzund Golato verfolgt sie keine primär gesprächsanalytische Fragestellung, sondernverortet ihre Arbeit im größeren Umfeld der (klinisch-) psychologischen Identitätsforschung.106 Sie konzentriert <strong>sich</strong> dabei besonders auf „third-party compliments“,<strong>als</strong>o kurze Erzählungen von positiven Äußerungen <strong>über</strong> die SprecherInnen,die aber von Dritten getätigt wurden (etwa: ‚Meine Freundin hat meine neueFrisur sehr gelobt.’). Speers An<strong>sich</strong>t nach sind solche Komplimente besondersobjektiv, da sie gewissermaßen empirische Beweise <strong>für</strong> die intersubjektive Gültigkeitvon positiven Urteilen <strong>über</strong> die eigene Person liefern. Hier ist vor allem dieepistemische Distanz zwischen SprecherInnen und den narrativ inszenierten ProduzentInnendes Kompliments relevant, denn da das entsprechende Komplimentja ‚nur berichtet’ werde, gingen die SprecherInnen einer möglichen Anschuldigung,eigentlich Selbstlob zu betreiben, aus dem Weg. Speer (ebd., S. 73) schließthierbei die strategische Nutzung solcher Komplimente explizit aus:106Speer betrachtet den individuellen Umgang mit Selbstlob in erster Linie <strong>als</strong> Manifestationpsychischer Krankheitsbilder an der sprachlichen Oberfläche; hier werden vor allem zu positivebzw. zu negative Selbstbilder im Zusammenhang mit Depressionen oder narzisstischenStörungen diskutiert.

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