Die Osterweiterung und die Regionalpolitik der EU - RWTH Aachen ...
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verständigten sie sich darauf, rasch den Einkommensrückstand gegenüber Westdeutschland<br />
aufzuholen. 415<br />
Einer <strong>der</strong> Eckpunkte des Staatsvertrages zwischen <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
DDR bestand darin, daß <strong>die</strong> Tarifautonomie mit dem flächendeckenden System <strong>der</strong><br />
Tarifverträge <strong>und</strong> <strong>der</strong> in vierzig Jahren durch Tarifpartner, Gesetze <strong>und</strong> Gerichte entwickelten<br />
Praxis ohne Anpassungen auf <strong>die</strong> neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> übertragen wurde. Nach allgemeiner<br />
gesellschaftlicher Überzeugung sollte eine zügige Angleichung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse in<br />
beiden Teilen Deutschlands erfolgen.<br />
Dabei schienen einige wichtige Fragen angesichts <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>situation von <strong>der</strong> westdeutschen<br />
Seite nicht ausreichend bedacht worden zu sein: Wer sollten nach Einführung <strong>der</strong><br />
Tarifautonomie <strong>die</strong> handelnden Akteure sein? Was waren <strong>die</strong> Interessen <strong>die</strong>ser Akteure?<br />
Auf Arbeitnehmerseite existierte in <strong>der</strong> DDR <strong>der</strong> Freie Deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong>, <strong>der</strong> aber<br />
als Interessenvertreter nicht in Frage kam, da <strong>die</strong>se Organisation zu den Stützen des Staates in<br />
<strong>der</strong> DDR zu zählen war <strong>und</strong> aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong> als diskreditiert gelten mußte. Daher bauten<br />
<strong>die</strong> unter dem Dachverband des DGB organisierten (west)deutschen Gewerkschaften auch in<br />
Ostdeutschland Strukturen auf, <strong>die</strong> zunächst vor allem mit Funktionären aus Westdeutschland<br />
operierten. Seitens <strong>der</strong> Arbeitgeber gab es ebenfalls keine ”natürliche” Vertretung in<br />
Ostdeutschland, da sich zu Beginn <strong>der</strong> neunziger Jahre eine ostdeutsche Unternehmerschicht<br />
erst langsam entwickeln mußte. Aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong> wurde <strong>die</strong> Arbeitgebervertretung ebenfalls<br />
durch einige aus Westdeutschland delegierte Arbeitgeberfunktionäre gebildet.<br />
Aus <strong>die</strong>ser Ausgangssituation ergab sich folgende Konstellation <strong>der</strong> Gewerkschaftsinteressen<br />
bezüglich <strong>der</strong> ostdeutschen Tariflöhne:<br />
• Niedrige ostdeutsche Tariflöhne verschlechterten <strong>die</strong> Verhandlungsposition <strong>der</strong><br />
•<br />
Gewerkschaften im Westen, da zu erwarten war, daß dadurch <strong>die</strong> Tariflöhne weiter<br />
auseinan<strong>der</strong>driften.<br />
Bei niedrigen ostdeutschen Tariflöhnen konnten <strong>die</strong> Arbeitgeber bei Lohnverhandlungen<br />
im Westen glaubhaft mit Produktionsverlagerungen drohen.<br />
• Bei niedrigen Ost-Lohnkosten konnten West-Arbeitgeber bei Lohnverhandlungen mit <strong>der</strong><br />
Gefahr <strong>der</strong> Verdrängung durch billige Ost-Konkurrenz argumentieren.<br />
• Westdeutsche Gewerkschaften konnten kein Interesse an Produktionsverlagerungen nach<br />
Ostdeutschland haben, da <strong>die</strong> vertretenen Arbeitnehmer nicht zu den Arbeitsplätzen nach<br />
415 Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Institut für Weltwirtschaft Kiel:<br />
Gesamtwirtschaftliche <strong>und</strong> unternehmerische Anpassungsfortschritte in Ostdeutschland: Neunzehnter Bericht, Halle 1999, S. 92.