Die Osterweiterung und die Regionalpolitik der EU - RWTH Aachen ...
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Laut dem Vertrag von Nizza verpflichten sich <strong>die</strong> Län<strong>der</strong>, <strong>die</strong> sich zur verstärkten<br />
Zusammenarbeit entschließen, damit auch den Integrationsprozeß zu stärken. Sie dürfen aber<br />
nicht in Bereichen vorangehen, <strong>die</strong> schon unter <strong>die</strong> ausschließliche Zuständigkeit <strong>der</strong><br />
Kommission fallen. <strong>Die</strong> verstärkte Zusammenarbeit betrifft auch keine Fragen mit<br />
militärischen o<strong>der</strong> verteidigungspolitischen Bezügen. 104<br />
<strong>Die</strong> verstärkte Zusammenarbeit hat schon im Vorfeld verschiedene Kritiken <strong>und</strong> Bewertungen<br />
nach sich gezogen. Als mögliche Folge wurde von einem Europa <strong>der</strong> ungleichen Klassen, von<br />
einer Flucht vor <strong>der</strong> <strong>Osterweiterung</strong> usw. gesprochen. Während <strong>die</strong> Politiker (J. Delors, G.<br />
Schrö<strong>der</strong>, R. von Weizsäcker, H. Schmidt u.a.) <strong>die</strong>se Flexibilitätsklausel unterstützen, wird in<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur oft <strong>die</strong> Meinung vertreten, daß sie den europäischen<br />
Gesamteinigungsprozeß behin<strong>der</strong>n wird. 105 Es werde eine verstärkte bi- <strong>und</strong> multilaterale<br />
Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten in den Bereichen vorgesehen, in denen es auch<br />
künftig bei <strong>der</strong> Einstimmigkeit bleibt. Sollte es z.B. im Zuge <strong>der</strong> WWU zur Abkoppelung<br />
eines Kerneuropas o<strong>der</strong> einer Avantgarde-Gruppe106 kommen, wird <strong>die</strong> <strong>EU</strong>-Mitgliedschaft im<br />
Vergleich zur Euro-Zone an Bedeutung verlieren. <strong>Die</strong> eigentlichen Entscheidungen werden<br />
im Rahmen des privilegierten Kreises getroffen, von dem alle an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong> ferngehalten<br />
werden (z.B. MOE-Staaten). Der ehemalige polnische Außenminister Geremek führte im Mai<br />
2000 aus, daß Mitteleuropa aus <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erte das Trauma<br />
geerbt habe, wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Peripherie zu sein. Nun bestehe <strong>die</strong> Gefahr, daß<br />
Polen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Region auf ihrem Weg in <strong>die</strong> euro-atlantischen Organisationen<br />
auf Dauer nicht mehr erreichten als eine Mitgliedschaft zweiter Klasse. 107 Der polnische<br />
Präsident Kwasniewski bezeichnete “hastige Pläne zur Schaffung einer Avantgarde, nur um<br />
<strong>die</strong> intime Atmosphäre <strong>der</strong> europäischen Integration zu bewahren” als nicht gerechtfertigt. 108<br />
Seiner Meinung nach bedeute es <strong>die</strong> Spaltung des Kontinents in “Avantgarde <strong>und</strong><br />
Fußvolk”. 109<br />
Dennoch muß man zugestehen, daß angesichts <strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong> <strong>EU</strong> auf über 20<br />
Mitgliedstaaten mit einer sich verstärkenden Heterogenität <strong>der</strong> Union <strong>die</strong> Interessenvielfalt<br />
enorm zunehmen wird. <strong>Die</strong> schon jetzt unterschiedliche Integrationsbereitschaft <strong>der</strong><br />
Mitgliedstaaten wird unter den dann vorhandenen Umständen <strong>die</strong> integrationsfreudigen<br />
Län<strong>der</strong> noch mehr motivieren, außerhalb <strong>der</strong> Union o<strong>der</strong> außerhalb des institutionellen<br />
104 Vgl. ebenda, S. 8.<br />
105 Vgl. z.B. Böttcher, W., Krawczynski, J.: Europas Zukunft: Subsidiarität, <strong>Aachen</strong> 2000, S. 237.<br />
106 J. Delors bevorzugt eine kleine Avantgarde-Gruppe aus sechs Gründungsstaaten, <strong>die</strong> drei Bereiche <strong>der</strong> Zusammenarbeit praktiziert: eine<br />
bessere Abstimmung <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen Entscheidungen, gemeinsame Initiativen in <strong>der</strong> Verteidigungs- <strong>und</strong> Außenpolitik sowie<br />
eine einheitliche Einwan<strong>der</strong>ungs- <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>politik. Vgl. Wiegel, M.: Vorschläge für eine europäische Avantgarde: Jacques Delors<br />
plä<strong>die</strong>rt für einen Vertrag im Vertrag, in: FAZ, Nr. 110, 12.05.2000, S. 11.<br />
107 Vgl. o.V.: Gemischtes Echo in Polen: Reaktionen auf <strong>die</strong> europapolitische Rede Fischers, in: FAZ, Nr. 113, 16.5.2000, S. 10.<br />
108 Kwasniewski, A.: Der Weg zur politischen Union Europas, in: FAZ, Nr. 281, 2.12.2000, S. 12.<br />
109 o.V.: Kleine Län<strong>der</strong> warnen vor einer Spaltung, in: Handelsblatt, Nr. 93, 15.5.2000, S. 9.