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Roseln mitten in Siebenbürgen

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1500 bis 1848<br />

Exkurs: Ehestreit und Ehefrieden<br />

Tieferen E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Geme<strong>in</strong>schaftsleben, allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> dessen Probleme, bietet<br />

das „Diarium des Roseler Evangel. Pfarramtes von 1875 bis 1887“, e<strong>in</strong> Tagebuch (Diarium)<br />

für Ehestreite. Angelegt gewiss von Pfarrer Johann Schmidt. Uns wundert die<br />

Jahreszahl, da er se<strong>in</strong>en Dienst erst am 6. Februar 1876 antrat, auch datiert se<strong>in</strong> erster<br />

E<strong>in</strong>trag erst vom 19. November 1877! Se<strong>in</strong> letzter, deutlich lesbarer trägt das Datum des<br />

4. Mai 1885. Aus der Amtszeit von Michael Zikeli (er amtierte vom 14. August 1827<br />

bis 5. Juli 1875) liegen auch Aufzeichnungen solcher Protokolle vor, beg<strong>in</strong>nend mit<br />

dem 23. Juni 1848 bis zum 7. Oktober 1873. Da <strong>in</strong> der Amtszeit von Pfarrer Zikeli mit<br />

Ausnahme des Jahres 1856 und <strong>in</strong> der Amtszeit von Pfarrer Schmidt mit Ausnahme des<br />

Jahres 1886 jährlich mehrere, bis zu zehn E<strong>in</strong>trägen vorliegen, wundert die vierjährige<br />

Lücke vom 7. Oktober 1873 bis zum 19. November 1877, doch ist möglich, dass Blätter<br />

verloren g<strong>in</strong>gen.<br />

Was erfahren wir aus den aufbewahrten Blättern, die zum Teil unleserlich s<strong>in</strong>d? In den<br />

weitaus meisten Fällen s<strong>in</strong>d es die Frauen, die dem Pfarrer ihre Klage vorbr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>ige<br />

Männern klagen, weil ihnen ihre Frau weggelaufen ist, doch deutet der Verlauf darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass sie es nur taten, um den Vorteil des Klägers zu erreichen. E<strong>in</strong> fraglicher Vorteil<br />

allerd<strong>in</strong>gs, denn der Kläger musste die Auslagen im Voraus bezahlen und erhielt auch<br />

bei gewonnenem Prozess die Kosten nicht ersetzt, wenn der andere Teil sie zu bezahlen<br />

nicht <strong>in</strong> der Lage war. E<strong>in</strong>e Reihe Prozesse wurden nicht geführt, weil ke<strong>in</strong>er der Partner<br />

über die nötige Summe verfügte.<br />

Was waren die Ursachen der Streitigkeiten? Öfter, dass der Mann die Frau schlug,<br />

doch ist auch von e<strong>in</strong>er Frau zu lesen, die ihren Mann kratzte und schlug. Männer<br />

verjagten ihre Frauen aus Eifersucht, wegen Unstimmigkeiten im Umgang mit dem<br />

Vermögen, wegen Unstimmigkeiten mit Anverwandten, den Eltern oder Geschwistern.<br />

In den Jahren Michael Zikelis spielt das Wirtshaus e<strong>in</strong>e größere Rolle als <strong>in</strong> denen Johann<br />

Schmidts. Zufall oder Wandel im Verhalten? Bei Pfarrer Schmidt wird e<strong>in</strong>ige Male<br />

festgehalten, dass die Frau dem Manne das Getränk aus dem Wirtshaus br<strong>in</strong>gen soll,<br />

damit er nicht dort tr<strong>in</strong>ke. In e<strong>in</strong>er Reihe von Fällen, <strong>in</strong> denen die Streitenden sich wieder<br />

vertragen, wird je nach dem Fall von e<strong>in</strong>em oder beiden Partnern e<strong>in</strong>e Unterschrift<br />

gefordert und geleistet. In ernsten Fällen mit dem F<strong>in</strong>gersiegel bekräftigt, also dem<br />

T<strong>in</strong>tenkreuzchen auf das der F<strong>in</strong>ger gedrückt wurde, und e<strong>in</strong>er Unterschrift daneben.<br />

Vom Daumenabdruck ist sehr wenig zu erkennen, ob es zu e<strong>in</strong>er Identifizierung reichen<br />

würde, fraglich. Aber erfreulich und nicht selten s<strong>in</strong>d die Fälle, <strong>in</strong> denen Streitende sich<br />

wieder vertrugen, sich die Hand reichten, sich gegenseitig um Entschuldigung baten.<br />

Dazu e<strong>in</strong>e Reihe von Fällen solcher, die auch nach dem dritten „Vorstehen“ unvere<strong>in</strong>igt<br />

wegg<strong>in</strong>gen und dennoch im Protokoll zu lesen ist: „Die Parteien haben sich <strong>in</strong> der Folge<br />

alle<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>igt“ oder ähnlich.<br />

Zwar können die meisten Ehepaare aufgrund <strong>in</strong> der Ortsdatei erfasster Familiendaten<br />

problemlos identifiziert werden, aber nicht alle. E<strong>in</strong>ige von ihnen werden sich auch nur<br />

zeitweilig <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong> aufgehalten haben. Andere fehlen aus unerf<strong>in</strong>dlichen Gründen.<br />

So auch Mart<strong>in</strong> Zucker, der im Juli 1885 im Pfarramt ersche<strong>in</strong>t und klagt, se<strong>in</strong>e mehrere<br />

Wochen kränkelnde Frau habe ihn nun verlassen. Er verlangt, dass sie zurückkehre;<br />

er verspricht, er wolle sie auch verpflegen.<br />

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