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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Der Anfang vom Ende<br />

behaupte ich, dass es sich sehr recht für mich gepasst hat, mich für den Herrn Notär e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Erstens b<strong>in</strong> ich so gut wie jeder andere politischer Bürger dieser Geme<strong>in</strong>de und<br />

habe als solcher das Recht, me<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung zu äußern; und nur weil ich Pfarrer b<strong>in</strong>, kann<br />

ich auf dies Recht nicht verzichten. Es wäre freilich viel bequemer für mich gewesen, bis zu<br />

Ende zu schweigen; und ich habe es im voraus gewusst, dass ich mir durch me<strong>in</strong> Auftreten<br />

Fe<strong>in</strong>dschaft und Hass zuziehn werde. Ich habe trotzdem gesprochen, weil ich es für me<strong>in</strong>e<br />

Pflicht gehalten habe, für me<strong>in</strong>e Pflicht gerade als Pfarrer dieser Geme<strong>in</strong>de und als Führer des<br />

Sachsentums hier. Ich habe, trotz me<strong>in</strong>er Verschwägerung mit dem Herrn Notär, nicht für<br />

die Person gesprochen, sondern für den Träger des Amtes, für den sächsischen Notär von<br />

<strong>Roseln</strong>. Wir wissen alle, auch die, die ihn weghaben wollen, dass, wenn er wirklich <strong>Roseln</strong><br />

verlässt, wir aller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nach ke<strong>in</strong>en Sachsen, sondern e<strong>in</strong>en Rumänen <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e Stelle bekommen. Wir wissen alle, wenn wir nur nicht zu verhetzt s<strong>in</strong>d, dass uns e<strong>in</strong><br />

sächsischer Notär nützen und e<strong>in</strong> rumänischer schaden kann. Aber wie viel e<strong>in</strong> sächsischer<br />

Notär für uns wirklich bedeutet, davon haben Sie alle zusammen ke<strong>in</strong>e Ahnung; Sie wissen<br />

auch alle zusammen nicht, was wir gerade diesem Notär als Volk und als Kirche alles verdanken<br />

– denn ich hab nicht e<strong>in</strong>mal dem Presbyterium alles sagen dürfen, was er für uns<br />

getan hat. Und noch viel weniger haben Sie, die ganze Geme<strong>in</strong>de, e<strong>in</strong>e Ahnung davon, wie<br />

viel uns e<strong>in</strong> volksfremder Notär schaden kann. Darum handelt es sich hier nicht darum,<br />

ob der Herr Notär nun wirklich hier oder dort gefehlt hat oder nicht. Sondern es handelt<br />

sich darum, dass es e<strong>in</strong>es der wichtigsten Lebens<strong>in</strong>teressen unserer Kirchengeme<strong>in</strong>de und unseres<br />

Sachsentums ist, dass wir ihn recht lange hier behalten. Darum war es me<strong>in</strong>e Pflicht, gerade<br />

als Pfarrer und als Führer des Sachsentums, mich für ihn e<strong>in</strong>zusetzen, <strong>in</strong>dem ich auch nur<br />

zu zeigen versucht habe – oder besser: versuchen wollte, dass nur der weit kle<strong>in</strong>ere Teil der<br />

Geme<strong>in</strong>de ihn wegwünscht, dieser kle<strong>in</strong>ere Teil aber zu allermeist auch nur, weil er verletzt<br />

ist oder auf persönliche Rache s<strong>in</strong>nt.‘ –<br />

Das Presbyterium nimmt diese Ausführungen schweigend zur Kenntnis.“<br />

Im September 1926 wechselte Notär Schmidt aus <strong>Roseln</strong> nach Jakobsdorf. Alter Brauch<br />

wankte:<br />

„Vorsitzer berichtet, dass an e<strong>in</strong>em Sonntag während des Gottesdienstes <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de<br />

e<strong>in</strong>e Scheune aufgehoben worden sei; 68 auch sei e<strong>in</strong>e junge Frau, trotz des alten Brauches,<br />

nicht zur E<strong>in</strong>segnung gekommen. Er bittet das Presbyterium, das zum Hüter der alten<br />

Bräuche und des religiösen, sittlichen Lebens <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de berufen sei, darauf zu achten,<br />

dass so etwas nicht vorkommt.“<br />

Als Schopfen, Stallungen und andere zur Schule und Rektorwohnung gehörige Nebengebäude<br />

abgetragen werden mussten, setzte sich Pfarrer Csallner gegen das Presbyterium<br />

sehr für Lehrer Lautner e<strong>in</strong>, ihm wieder Stallungen für se<strong>in</strong>e Schwe<strong>in</strong>e zu errichten. Das<br />

Presbyterium plädierte dafür, er könne sie bei se<strong>in</strong>em Schwiegervater unterbr<strong>in</strong>gen.<br />

Die Geme<strong>in</strong>de steckte tief <strong>in</strong> Schulden. Die Gehälter mussten aus dem Saalbaufonds<br />

bezahlt werden und die Presbyter hatten vergessen, dass sie dies selbst beschlossen hatten.<br />

Da dem Rechnungskirchenvater die Fenster e<strong>in</strong>geschlagen wurden, legte er se<strong>in</strong> Amt<br />

nieder, obwohl die Kirchengeme<strong>in</strong>de den Schaden trug. In mehreren Sitzungen wurden<br />

Kirchenväterwahlen durchgeführt, aber die Gewählten nahmen das Amt nicht an. Der<br />

Vorsitzer wendete die Kirchenordnung an, wonach, wer das Amt nicht annahm, auch<br />

68 „Scheune aufheben“ hieß die Reparatur, bei der das Fundament e<strong>in</strong>er Scheune, e<strong>in</strong>es Schopfens<br />

unterlegt wurde.

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