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Roseln mitten in Siebenbürgen

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1848 bis 1944<br />

Ehefrauen aus Deutschland, doch während erfahrene ältere Pfarrer sich fragten, ob der<br />

„Import“ lohne, schlugen – wie auch <strong>in</strong> diesem Fall – die Herzen der Geme<strong>in</strong>deglieder<br />

für die, die ihr Mutterland verließ, um „herunter“zukommen. Wohlgemerkt: Dieses<br />

„herunter“ hat ke<strong>in</strong>en depravierten S<strong>in</strong>n, sondern folgt dem Fluss der Donau, auch der<br />

Landkarte hoch aus dem Norden <strong>in</strong> den Süden. Auch der junge Pfarrer war im Vierergespann<br />

abgeholt worden. Diesmal fällt die Formulierung „und erhält 500 Lei“ auf,<br />

denn für normale Fahrt bis zur Station wurden 23 Lei gezahlt, ansonsten 10 Lei pro Kilometer,<br />

und hier fielen ke<strong>in</strong>e 20 km an. Es kl<strong>in</strong>gt so, als sei die Summe nicht gefordert,<br />

sondern angeboten worden, e<strong>in</strong>e Summe, die die E<strong>in</strong>geholte ehren soll. Hier wurde<br />

nicht m<strong>in</strong>uendolizitiert, 71 wie wiederholt <strong>in</strong> den letztvergangenen Jahren des Saalbaus.<br />

Hier wurde ke<strong>in</strong>e Rücksicht auf den Schuldenberg genommen. Die damit ausgedrückte<br />

Ehrerweisung galt selbstverständlich nicht alle<strong>in</strong> der Pfarrer<strong>in</strong>, sondern auch dem, der<br />

sie erobert hatte. Dem zu vertrauen war, dass er den Schuldenberg tilgen werde.<br />

Unter dem 15. Sonntag nach Tr<strong>in</strong>itatis, dem 28. September 1930, ist im Gottesdienstprotokoll<br />

zu lesen: „statt Vesper Empfang der Pfarrer<strong>in</strong>“, womit Obiges noch<br />

e<strong>in</strong>mal bestätigt wird.<br />

Anekdote zum e<strong>in</strong>zug der Pfarrer<strong>in</strong><br />

In der Geme<strong>in</strong>de erzählte man: Als die Pfarrer<strong>in</strong> durch die Geme<strong>in</strong>de auf den Platz kam,<br />

freute sie sich vieler solider Häuser. Dann g<strong>in</strong>g es an der Schule vorbei, den Berg h<strong>in</strong>auf<br />

zum offenen Tor des Pfarrhofes, zu dessen L<strong>in</strong>ker das bescheidene Häuschen der Familie<br />

Stirner (Giupleng) steht. Da soll die Pfarrer<strong>in</strong> erschrocken zu ihrer Mutter gesagt haben:<br />

‚Schau Mutter, woh<strong>in</strong> es geht!‘ und zur Antwort erhalten haben: ‚Hat dir der Vogel gefallen,<br />

muss dir auch das Nest gefallen.‘<br />

Kaum gesagt, fuhr die Kutsche durch das Tor und rechter Hand war das Pfarrhaus zu<br />

sehen, gewiss rechtzeitig davor gepflanzte Blumenrabatten, vielleicht hatte Adolf Lutsch<br />

zum Empfang auch schon etliche se<strong>in</strong>er geliebten Rosenstöcke gesetzt.<br />

Doch wahrsche<strong>in</strong>lich ist diese Geschichte bloß gut erfunden, denn die Mutter der<br />

Pfarrer<strong>in</strong> kam erst Jahre später zu Besuch.<br />

Von diesem Empfang, dessen E<strong>in</strong>zelheiten weiter nicht bekannt s<strong>in</strong>d, überwältigt, gab<br />

sich die junge „Pfarrer<strong>in</strong>“ Mühe, <strong>in</strong> der Folge sowohl den sächsischen Dialekt als auch<br />

Rumänisch zu lernen.<br />

In der gleichen Sitzung vom 7. September 1930, <strong>in</strong> der die Abholung der Pfarrer<strong>in</strong><br />

beschlossen wurde, lag noch e<strong>in</strong> wichtiger Entscheid an:<br />

„Da der romänische Schulstuhl beschlossen hat, am 15. September l. J. e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dergarten<br />

zu eröffnen, und weil dann auch die sächsischen K<strong>in</strong>der diesen besuchen müssen, so<br />

beschließt das Presbyterium, jemanden nach Hermannstadt zu entsenden, um von der<br />

Honterusdruckerei die nötigen Deklarationen zu holen. Damit diese bis zum 10. September<br />

abgegeben werden können, müssen sie bis spätestens den 8ten abends hier se<strong>in</strong>. Alle<br />

Eltern sollen die Erklärung <strong>in</strong> der Art abgeben, dass sie ihre K<strong>in</strong>der im Hause erziehen.“<br />

Es war dies e<strong>in</strong> diplomatischer Schachzug im Machtspiel des Ortes mit den neuen<br />

Machthabern. Die Staatsschule, die rumänische Schule, wurde wenig später auf Allodi­<br />

71 Das niedrigste Angebot gilt.<br />

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