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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Kriegsjahre<br />

Offiziere zu befreien, die unter Bewachung <strong>in</strong>s Gefangenenlager transportiert werden<br />

sollten: Hauptmann Engerle<strong>in</strong> und Oberleutnant Lutz. 1 Der Überfall gelang nur zum<br />

Teil, denn Lutz und me<strong>in</strong>e beiden Kameraden konnten entkommen, Engerle<strong>in</strong> und ich<br />

wurden aber festgenommen.<br />

Die Gendarmen <strong>in</strong> Agnetheln behandelten uns korrekt. Anders als die Gendarmen<br />

<strong>in</strong> Schäßburg, die mich Wochen vorher zu Boden geschlagen und getreten hatten, um<br />

mir – vergebens – die Namen der Siebenbürger Sachsen (aus Probstdorf) zu erpressen,<br />

die mir e<strong>in</strong> Stück des Weges weitergeholfen hatten.<br />

In Agnetheln habe ich mich dann, nach e<strong>in</strong>em Verhör, auf offener Straße von me<strong>in</strong>em<br />

Bewacher losgerissen – es war Abend – und b<strong>in</strong> davongerannt. Der Soldat schoss drei<br />

Mal und verfehlte mich knapp. Ich rannte, die Straße war wie leergefegt, von der Gendarmerie<br />

bis zur Lederfabrik, dann rechts ab <strong>in</strong>s freie Gelände. Im Morgengrauen kehrte<br />

ich nach <strong>Roseln</strong> zurück, <strong>in</strong> me<strong>in</strong> Versteck bei Oma Zucker.<br />

E<strong>in</strong>ige Tage später begann die Deportation. Russland und Rumänien hatten sie im<br />

Waffenstillstands­ und Bündnispakt im August 1944 vere<strong>in</strong>bart. Alle Männer von 17 bis<br />

45 Jahren und alle Frauen/Mädchen von 18 bis 35 wurden nach Russland verschleppt.<br />

Durch e<strong>in</strong>en Fensterspalt spähend wurde ich Augenzeuge der Verschleppung. Russisches<br />

Militär hatte <strong>Roseln</strong> umstellt. E<strong>in</strong> langer Zug, e<strong>in</strong> Fuhrwerk h<strong>in</strong>ter dem anderen,<br />

zog über die Dorfstraße Richtung Agnetheln, flankiert von rumänischen Soldaten. Es<br />

war totenstill. Man hörte nur das Knirschen der Räder und dann e<strong>in</strong> leises We<strong>in</strong>en, das<br />

anschwoll. <strong>Roseln</strong> we<strong>in</strong>te ...<br />

Im Transportzug <strong>in</strong> Agnetheln sangen die Mädchen – so hat man mir erzählt – den<br />

Choral, „Weiss ich den Weg auch nicht, Du weißt ihn wohl ...“<br />

Sofie Andree und Erna Barth, die Dorfschullehrer<strong>in</strong>, die ich kannte, hatten sich noch<br />

von mir verabschiedet, bevor sie zur Sammelstelle g<strong>in</strong>gen. Ne<strong>in</strong>, fliehen wollten sie<br />

nicht. Auch der Vater von Misch Andree wurde verschleppt, obwohl er über 45 Jahre alt<br />

war. Man ergriff ihn, damit die Zahl der Deportierten stimmte.<br />

Vor und nach der Verschleppung, auch später, gab es immer wieder plötzliche Hausdurchsuchungen<br />

durch Gendarmen oder russisches Militär. Viermal konnte ich <strong>in</strong> letzter<br />

M<strong>in</strong>ute entkommen. Anni Albrich weiß, wovon ich rede (Haus 117).<br />

Niemand <strong>in</strong> <strong>Siebenbürgen</strong> erlitt durch mich Schaden, auch nicht Andreas Albrich,<br />

der wegen e<strong>in</strong>es vorübergehend bei ihm versteckten Feldwebels (aus Malmkrog), den<br />

ich nicht kannte, verhaftet und verurteilt wurde. Das passierte zu e<strong>in</strong>er Zeit, als ich<br />

längst aus <strong>Roseln</strong> weg und im Wald versteckt war. Ich hatte auch großes Glück. –<br />

In den Monaten bis Kriegsende und danach hatte ich drei Adressen, wo ich mich<br />

versteckte: anfangs bei Andreas Albrich, dem Gastwirt (Haus 66a), von dem ich eben<br />

berichtete, danach bei der Frau des Schuhmachers Krauss <strong>in</strong> Agnetheln und zuletzt bei<br />

Mart<strong>in</strong> Albrich und se<strong>in</strong>er Tochter Anni (<strong>Roseln</strong>, Haus 117).<br />

Ich wechselte häufig me<strong>in</strong> Versteck, tauchte nachts auf, blieb e<strong>in</strong> bis zwei Wochen<br />

und verschwand, kam wieder ... bis etwa Juli 45. Dann g<strong>in</strong>g ich <strong>in</strong> den Wald, zusammen<br />

mit e<strong>in</strong>em Kameraden. Er hieß Klaus Tüscher. Wir hausten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Erdloch auf e<strong>in</strong>er<br />

dicht bewaldeten Anhöhe ca. 2 km nordwestlich vom Fohlenstall.<br />

1 Hans Lutsch, Agnetheln.<br />

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