24.01.2013 Aufrufe

Roseln mitten in Siebenbürgen

Roseln mitten in Siebenbürgen

Roseln mitten in Siebenbürgen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kriegsjahre<br />

getragen und so das ganze Dorf verständigt. Martha war e<strong>in</strong> fl<strong>in</strong>kes Mädchen, sie kam<br />

damals die Treppe hochgeschlichen, dass wir sie nicht hörten. Genauso fl<strong>in</strong>k lief sie wieder<br />

heim. Aber als Dieter aus dem anderen Raum kam, sagte er: „Misch, lauf ihr nach!“<br />

Das tat ich denn auch.<br />

Als ich sie auf der Straße e<strong>in</strong>geholt hatte, sagte ich: „Nachbar<strong>in</strong>! Bleib stehen! Du<br />

sollst zurückkommen!“ Da wurde sie rot im Gesicht.<br />

Ich fragte: „Hast du jemanden bei uns gesehen?“ Da erwiderte sie: „Ja!“ Nun musste<br />

sie mit mir zurückkommen und vor Dieter bei Gott schwören, dass sie niemandem verraten<br />

würde, dass bei den Andrees e<strong>in</strong> deutscher Soldat versteckt sei. Dieses Versprechen<br />

hat sie auch gehalten. Heute heißt sie Martha Recker.<br />

Zu der Zeit musste ich für Dieter auch von Agnetheln Bücher holen. Er schrieb mir<br />

alle Titel auf e<strong>in</strong>en Zettel und versteckte diese Liste im Futter me<strong>in</strong>er Jacke. Dieter<br />

bewies immer, dass er sehr vernünftig und besonnen war und alles gut überlegte. In Agnetheln<br />

war e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong>, die wusste, dass Dieter bei uns wohnt, und von ihr brachte<br />

ich die Bücher. In <strong>Roseln</strong> lebte damals Erna Barth als Lehrer<strong>in</strong> und sie besuchte Dieter<br />

auch manchmal. Natürlich hatte jeder Angst, diesen deutschen Soldaten zu besuchen<br />

oder auch nur etwas von ihm zu wissen.<br />

Es war im W<strong>in</strong>ter 1944, am Heiligen Abend, da g<strong>in</strong>gen wir alle <strong>in</strong> die Kirche. Ich<br />

g<strong>in</strong>g mit der Jugend h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und als letzter kam Dieter durch die Tür, die quietschte. Alle<br />

drehten sich um und vermuteten, es sei e<strong>in</strong> deutscher Soldat, aber ke<strong>in</strong>er wusste, wo er<br />

herkam.<br />

Dieter war auch <strong>in</strong> Agnetheln bei Familie Krauss versteckt. Ich weiß noch, dass er<br />

während der ersten Russlandaushebung bei Oma Zucker war. Da hatte ich noch Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit ihm.<br />

Man wusste noch nicht, dass die Russen noch e<strong>in</strong>en zweiten Transport zusammenstellen<br />

würden. Dem wurde auch me<strong>in</strong>e Schwester Sofia und me<strong>in</strong> Vater e<strong>in</strong>gereiht.<br />

Dieter sagte: „Sofia, versteck dich! Bleib da, der Zug fährt auch ohne dich weg!“ Zucker<br />

Kathar<strong>in</strong>a machte es so und blieb daheim. Das war am 27. Januar 1945. In der Zeit<br />

vom 17. Januar und später wusste ich nichts mehr von Dieter. Me<strong>in</strong>e Stiefmutter sagte:<br />

„Misch, Dieter ist weg und ich weiß nicht, wo er sich aufhält. De<strong>in</strong> Vater hat mir auch<br />

streng verboten, dir etwas zu sagen.“ Sie wusste wohl auch nicht, wo Dieter war. Es wurde<br />

ja immer schlimmer mit den Zigeunern, und wehe, wenn man bei solchen Sachen<br />

ertappt wurde. Sie hätten uns zu der Zeit totgeschlagen, so gewaltig war der Hass auf<br />

deutsche Soldaten.<br />

An e<strong>in</strong>em Tag im Februar 1945 kam Zucker Georg Nr. 86 zu mir, und sagte, ich<br />

solle zu se<strong>in</strong>em Herrn kommen. Er war damals Knecht bei Albrich Andreas Nr. 66. Ich<br />

hatte ke<strong>in</strong>e Ahnung, warum der mich zu sich e<strong>in</strong>lud. Albrich Andreas hatte damals das<br />

Wirtshaus. Als ich zu ihm kam, begrüßte er mich als Nachbar (er war nämlich Nachbar<br />

me<strong>in</strong>er Großeltern). Dann sagte er mir: „Misch, ich habe de<strong>in</strong>em Vater versprochen, ich<br />

würde dich <strong>in</strong> Ruhe lassen wegen Dieter. Aber Dieter braucht dich jetzt. Du bist der<br />

e<strong>in</strong>zige, auf den er sich verlassen kann. Bitte geh <strong>in</strong> die Scheune und ruf mal: L<strong>in</strong>da!“ –<br />

Das war der Hund, der dort Wache hielt.<br />

Die lange Scheuerleiter war hochgezogen und Dieter oben unter dem Dach im Heu.<br />

Er sagte: „Misch, ich habe me<strong>in</strong> Versprechen gebrochen. Ich habe de<strong>in</strong>em Vater gesagt,<br />

dass ich auch ohne dich zurechtkäme. Leider ist es unmöglich. Aber verrate de<strong>in</strong>er<br />

333

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!