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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Kriegsjahre<br />

Am nächsten Morgen mussten alle die Ortschaft verlassen. Der Beamte war auch am<br />

Bahnhof und gab mir den Rat, ich solle zu den Familien e<strong>in</strong>steigen. Dann wurden wir<br />

alle abgezählt und auf Deutsch und Russisch „37 Personen“ auf den Waggon geschrieben.<br />

Von Bahnhof zu Bahnhof wurde weiterh<strong>in</strong> nur unsere Anzahl kontrolliert. So<br />

kamen wird nach Gmünd <strong>in</strong> Österreich. Dort warfen uns die Russen aus dem Zug, weil<br />

sie den Waggon brauchten. Die Familie Fleischer, me<strong>in</strong> zukünftiger Schwiegervater mit<br />

se<strong>in</strong>en drei K<strong>in</strong>dern, war mit demselben Zug gekommen. Nun bat er mich, ihm mit all<br />

ihrem Gepäck, das sie von der Flucht noch hatten, zu helfen auf e<strong>in</strong>en Personenzug umzusteigen.<br />

Es gelang uns, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zug bis Pressburg Platz zu f<strong>in</strong>den. Dort mussten wir<br />

nach Budapest umsteigen. Das wäre uns nicht gelungen, hätte nicht e<strong>in</strong> rumänischer<br />

Hauptmann der Division „Tudor Vladimirescu“ mit zwei Soldaten der Familie Fleischer<br />

geholfen. Der Zug hielt kurz, und kaum war Familie Fleischer <strong>in</strong> den überfüllten Wagen<br />

e<strong>in</strong>gestiegen, fuhr er ab. Es gelang mir noch, mich auf die Treppe e<strong>in</strong>es vorbeifahrenden<br />

Wagens zu schw<strong>in</strong>gen und daraufh<strong>in</strong> zum Dach hochzusteigen. Dort war ich nicht<br />

alle<strong>in</strong>. Es lag noch e<strong>in</strong> Rumäne dort. Wir hielten uns an den Entlüftungsschächten<br />

fest. So merkte ich nicht, dass Familie Fleischer an der ungarischen Grenze gezwungen<br />

wurde, aus dem Zug auszusteigen. Ihr sämtliches Gepäck blieb im Zug und sie standen<br />

auf freiem Feld, wie ich zwei Jahre später erfuhr. Derweil suchte ich sie vergeblich <strong>in</strong><br />

Budapest.<br />

Dort bestieg ich e<strong>in</strong>en Güterzug, der siebenbürgische Flüchtl<strong>in</strong>ge nach Rumä nien<br />

brachte. Innerhalb dieses Zuges fand ich me<strong>in</strong>en Landsmann Johann Widmann (Nr. 61).<br />

Geme<strong>in</strong>sam fuhren wir mit den anderen bis zur rumänischen Grenze. Dort wurden wir<br />

von der Grenzpolizei verhaftet, <strong>in</strong>s Gefängnis <strong>in</strong> Großwarde<strong>in</strong> gebracht und erhielten<br />

tüchtig Schläge. Nach zwei Monaten wurden wir aus der Haft entlassen, um russischen<br />

Soldaten übergeben zu werden. Diese brachten uns nach Temeswar und übergaben uns<br />

dort den Rumänischen Behörden. Erst wurden wir unter strenger Bewachung zur Pflege<br />

von Militärgärten verwendet. Danach teilten sie uns <strong>in</strong> Abhängigkeit unseres Berufes<br />

zur Arbeit e<strong>in</strong>. Johann Widmann als Maurer wurde zu Straßenarbeiten zugeteilt. Spärlich<br />

bewacht, war es ihm leicht zu fliehen. Ich konnte ihm e<strong>in</strong>en Brief an me<strong>in</strong>e Mutter<br />

mitgeben. Nach e<strong>in</strong>iger Zeit wurde unsere Arbeit nicht mehr benötigt und alle Männer<br />

und Frauen aus der Banater Gegend wurden zusammengesammelt. – Ich habe mich<br />

daruntergemischt. So kam es, dass ich nach Karakal, an den Alt, gebracht wurde. Hier<br />

musste ich als Zwangsarbeiter an der neuen Eisenbahnverb<strong>in</strong>dung Bukarest – Craio va<br />

arbeiten. Dort verg<strong>in</strong>gen drei Monate.<br />

Kurz vor Weihnachten 1945 ergab es sich, dass jemand aus Hermannstadt schwer erkrankte<br />

und nach Hause geschickt werden sollte. Da ich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls<br />

gesundheitlich schwer angeschlagen war, bekam ich von e<strong>in</strong>em Arzt e<strong>in</strong>en Überweisungssche<strong>in</strong>,<br />

um den Leidenskollegen Franz nach Hause zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Als wir bei ihm Zuhause angekommen waren, mussten wir uns unserer Kleidung<br />

entledigen, da wir total verlaust waren. Die Kleidung wurde verbrannt und ich bekam<br />

von der Familie andere Kleider. In derselben Nacht brachte mich der Vater der Familie<br />

gegen drei Uhr morgens zum Bahnhof, von wo ich mich wieder auf me<strong>in</strong>en Weg nach<br />

Hause begab. Unterwegs traf ich e<strong>in</strong>ige Heimkehrer, die mich darüber aufklärten, wie<br />

ich mich zu verhalten hätte, da die Gendarmerie immer noch nach „Freiwilligen der<br />

deutschen Armee“ suchte. Schließlich schaffte ich es bis nach <strong>Roseln</strong>. In <strong>Roseln</strong> ange­<br />

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