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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Pfarrer und Kirche<br />

Kirche beim Traugottesdienst, die unzähligen, launigen Reden während des Festmahls,<br />

das von den Nachbarschaftsfrauen gekocht und serviert worden war, das Ständchen<br />

der Adjuvanten, all das ist mir unvergesslich. Dass <strong>in</strong> jenem Jahr, nach längerer Zeit,<br />

wieder e<strong>in</strong> Storchenpaar se<strong>in</strong> Nest auf dem Kirchendach gebaut hatte und nur kurz<br />

vor der Hochzeit mit se<strong>in</strong>em Nachwuchs gen Süden geflogen war, gab natürlich Anlass<br />

zu manch ernster Überlegung <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de, ob sich Nachwuchs im Pfarrhaus e<strong>in</strong>stellen<br />

würde. Die Überlegungen wurden pünktlich neun Monate später befriedigend<br />

dadurch beantwortet, dass der erste Sohn des Pfarrerehepaars, Herbert, geboren wurde.<br />

Leider wurde die Ehe knapp 20 Jahre später geschieden.<br />

Trotz der überaus freundlichen Hilfsbereitschaft der Nachbarn, z. B. Maio und Hans<br />

Hartel, des Kirchenvaters und der Kirchenmutter Töpfer, die auch Taufpaten des Erstgeborenen<br />

wurden, des Gärtners Hans Albrich und se<strong>in</strong>er Frau, des Baumsachverständigen<br />

Baltes, aber auch vieler anderer Geme<strong>in</strong>deglieder, die nicht alle namentlich genannt<br />

werden können, war die relativ kurze Dienstzeit <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong> nicht leicht.<br />

Es war die Zeit massiver E<strong>in</strong>mischung des kommunistischen Regimes <strong>in</strong> alle kirchlichen<br />

Verantwortungsbereiche und der E<strong>in</strong>engung aller kirchlichen Aktivitäten und<br />

zwar nicht nur bezogen auf die Ebene des Bischofsamtes sowie des Landeskonsistoriums,<br />

der Dekanatsvorgänge und der Bezirkskonsistorien und der Landeskirchen­ und<br />

Bezirkskirchenversammlungen mit E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> die Wahlen im Raum der Kirche.<br />

Auch auf kommunaler Ebene waren die Politfunktionäre tätig. Die Gottesdienstbesucher<br />

wurden heimlich registriert und dann im beruflichen Fortkommen benachteiligt.<br />

Konfirmandenunterricht, Chor, Presbyterialsitzungen, die E<strong>in</strong>übung von Krippenspiel<br />

und anderem mehr durften laut Erlass ausdrücklich nur im Kirchengebäude stattf<strong>in</strong>den,<br />

also nicht <strong>in</strong> Privathäusern, im Pfarramt oder im Pfarrhaus. In den kalten W<strong>in</strong>tern<br />

war das <strong>in</strong> den ungeheizten Kirchen e<strong>in</strong>e Schikane. Diese wurde umgangen, denn die<br />

Konfirmanden kamen heimlich zum Unterricht <strong>in</strong>s Pfarrhaus. Die Kirchenchorprobe<br />

wurde e<strong>in</strong>fach zur Private<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>er Geburtstags­ oder anderen Familienfeier<br />

„umfunktioniert“. Dass der junge Pfarrer <strong>in</strong> der Folge nicht nur zum Politfunktionär<br />

<strong>in</strong> Agnetheln zitiert und mit Konsequenzen bedroht, sondern auch vom damaligen Dechanten<br />

gerügt und zurechtgewiesen wurde, gehörte zu den Belastungen, denen damals<br />

manche Pfarrer ausgesetzt waren. Die Verhaftungen deutscher Schriftsteller, Pfarrer,<br />

Musiker und anderer Intellektueller verbreitete e<strong>in</strong> Klima der Angst.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Belastung war das Versorgungsproblem. Die Geme<strong>in</strong>deglieder waren<br />

weitestgehend Selbstversorger. Sie lebten von den Erträgnissen ihrer Hausgärten, die<br />

bis <strong>in</strong> den letzten W<strong>in</strong>kel genutzt werden mussten, und von den Kartoffel­ und Getreidequoten,<br />

die ihnen als Mitgliedern der Kollektivwirtschaften zustanden. Die meisten<br />

konnten davon die Milchkuh und das Schlachtschwe<strong>in</strong> halten und ihr Federvieh ernähren.<br />

Natürlich war das mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden, die vor allem<br />

die Alten zu leisten hatten, weil die jüngeren Rosler e<strong>in</strong>er Arbeit außerhalb nachgehen<br />

mussten, um etwas Geld <strong>in</strong>s Haus zu br<strong>in</strong>gen. Ungleich schwerer gestaltete sich diese<br />

Lebensform für uns als Städter. Das Pfarrergehalt betrug, umgerechnet auf heutige<br />

Verhältnisse <strong>in</strong> Deutschland, etwa 40 Euro. Für den schwarzen Dienstanzug musste<br />

e<strong>in</strong> Jahr lang gespart werden, wenn man die anderen, lebensnotwendigen Ausgaben<br />

berücksichtigte. Wir lernten mit Spaten, Hacke, Rechen und Baumschere umzugehen,<br />

mit Hühnern, Gänsen, Enten und Schafen. Letztere g<strong>in</strong>gen nach dem Ablammen im<br />

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