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Roseln mitten in Siebenbürgen

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1944 bis 1990<br />

Pfarrhaus gewesen, um mir Bücher auszuleihen. Ob sich das herumgesprochen hatte? – Bis<br />

zu den Russen?<br />

Seit langem im Wald war ich auch, als der ehemalige Gastwirt von <strong>Roseln</strong>, Herr Albrich,<br />

verhaftet wurde, weil er zwei herumirrenden deutschen Soldaten e<strong>in</strong> oder zwei Nächte<br />

Unterschlupf gab. Das kam raus. Wie, weiß ich nicht. Die beiden Kameraden hatte man<br />

kurz danach gefasst. E<strong>in</strong>er war Feldwebel. Ich kannte sie nicht.“ 24<br />

„Manchmal g<strong>in</strong>gen wir nachts nach <strong>Roseln</strong>. In e<strong>in</strong>em weit abgelegenen Maisfeld lag e<strong>in</strong><br />

Beutel mit Brot und Speck. Den hatte Anni Albrich für uns deponiert. Bei den Albrichs <strong>in</strong><br />

<strong>Roseln</strong> war ich noch im Februar­März versteckt gewesen. Wegen zweier Kameraden, die<br />

ich aber nicht kannte, musste e<strong>in</strong>er der Brüder Albrich später <strong>in</strong>s Gefängnis. Als das Brot<br />

im Dorf knapp wurde, g<strong>in</strong>g Anni für uns sogar betteln, zu den Sachsen. Die Leute hatten<br />

aber auch Angst bekommen. E<strong>in</strong>er, den ich kannte, wies ihr die Tür. Russen und Rumänen<br />

durchkämmten nun auch die Wälder. Der evangelische Pfarrer von <strong>Roseln</strong> war nach e<strong>in</strong>er<br />

Hausdurchsuchung von e<strong>in</strong>em russischen Kommando e<strong>in</strong>fach erschossen worden. Durch<br />

die geschlossene Tür. Nachdem sie nichts Belastendes bei ihm gefunden hatten. Der Agnethler,<br />

der uns den Ofen für den Bunker gestiftet hatte, wurde deswegen tagelang verhört;<br />

weiß der Teufel, wie das rausgekommen war. Man wollte wissen, wo unser Versteck war, er<br />

stritt aber alles ab und wurde aus der Beugehaft wieder entlassen.“<br />

Ausführlicher als für den Fall Lutsch notwendig, wurde obiges festgehalten, weil es<br />

anschaulich, plastisch die damalige Situation wiedergibt. Wie aber lag der Fall Lutsch<br />

wirklich und was können wir heute, da man frei darüber sprechen kann, sagen? Was<br />

geben Unterlagen und Zeugnisse von damals dazu her?<br />

Sonntag, der 29. Juli 1945, ist e<strong>in</strong> schöner, friedlicher, doch heißer Sommertag –<br />

ob das nicht noch e<strong>in</strong> Gewitter gibt? Vormittags Gottesdienst. 25 Die Geme<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>gt<br />

zum E<strong>in</strong>gang Joachim Neanders „Sieh, hier b<strong>in</strong> ich, Ehrenkönig, lege mich vor de<strong>in</strong>en<br />

Thron; schwache Tränen, k<strong>in</strong>dlich Sehnen br<strong>in</strong>g ich dir, du Menschensohn! Lass dich<br />

f<strong>in</strong>den, lass dich f<strong>in</strong>den, b<strong>in</strong> ich gleich nur Asch und Ton.“ Alle vier Strophen: „Dieser<br />

Zeiten Eitelkeiten, Reichtum, Wollust, Ehr und Freud, s<strong>in</strong>d nur Schmerzen me<strong>in</strong>em<br />

Herzen, welches sucht die Ewigkeit. Lass dich f<strong>in</strong>den, lass dich f<strong>in</strong>den, großer Gott,<br />

ich b<strong>in</strong> bereit!“ Nach der Schriftlesung der Woche I. Kor. 10,1­13 folgt „Alle<strong>in</strong> Gott <strong>in</strong><br />

der Höh sei Ehr“ anstatt des Wochenliedes. Str. 2: „allzeit geschieht, was du bedacht“,<br />

Vater. Str. 3: „erbarm dich unser aller“, o Jesu Christe. Str. 4: „O heilger Geist ... Vor<br />

Satans Macht nimm uns <strong>in</strong> Hut, die Jesus Christ erlöste; der g<strong>in</strong>g für uns selbst <strong>in</strong> den<br />

Tod, drum wend von uns ab alle Not. Darauf wir uns verlassen.“ Auch der Predigttext<br />

5. Mose 4,25­31 sche<strong>in</strong>t selbstgewählt. Predigtthema: Gericht und Rettung. Das Predigtlied<br />

von Ludwig Andreas Gotter „Schaffet doch, ihr Menschenk<strong>in</strong>der“ enthält die<br />

Aussagen: „wer den Himmel will erwerben, muss zuvor mit Christo sterben“, „nur dem<br />

Sieger reicht zum Lohne, dort der Herr die Ehrenkrone“ und schließt: „dass ich wache,<br />

bet und r<strong>in</strong>ge und also zum Himmel dr<strong>in</strong>ge.“ – Na und? S<strong>in</strong>d dies nicht auch Themen<br />

unzähliger anderer Gottesdienste?<br />

Am Nachmittag wird Vesper gehalten, die meist von Mädchen, den jungen, nicht<br />

verschleppten, und Frauen besucht wird. Zum E<strong>in</strong>gang wählte Adolf Lutsch e<strong>in</strong> selten<br />

gesungenes Lied von Julius K. R. Sturm (1816­1896): „Herr, ich lasse nicht von dir“,<br />

24 Dieter Ehlers: Zum Treffen der Agnethler im Juni 1991. Bericht. Typoskript, S. 18.<br />

25 Quelle dieses und des folgenden Absatzes ist das Gottesdienstprotokoll.<br />

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