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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Unsere Er<strong>in</strong>nerungen und Gedanken<br />

Pfarrfrau <strong>in</strong> roseln<br />

Wir schreiben das Jahr 2009 und ich b<strong>in</strong> <strong>in</strong>zwischen 84 Jahre alt geworden – me<strong>in</strong>e<br />

Er<strong>in</strong>nerung muss e<strong>in</strong>en weiten Weg zurücklegen, zurück nach <strong>Roseln</strong>.<br />

Beim ersten Besuch <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong> war ich bee<strong>in</strong>druckt von dem schön gelegenen großen<br />

Anwesen. Das Haus mit so vielen großen Zimmern für uns alle<strong>in</strong>! Noch war die<br />

Belastung der sechzehn Jahre Wohnungsnot nicht vergessen. 1947 musste ich mit<br />

me<strong>in</strong>en Schwiegereltern deren großes Haus am Marktplatz <strong>in</strong> Agnetheln räumen und<br />

wir mussten mit me<strong>in</strong>en Eltern deren Wohnung teilen. Dann wurde Fabrikdirektor<br />

Friedrich Müller mit se<strong>in</strong>er Familie ebenfalls <strong>in</strong> unser Elternhaus gewiesen. Jede Familie<br />

hatte e<strong>in</strong>en Wohnraum. Mit me<strong>in</strong>em Mann, se<strong>in</strong>er Mutter und unseren beiden K<strong>in</strong>dern<br />

wohnten wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zimmer.<br />

Am 6. September 1964 wurden wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Festgottesdienst, an dem die ganze Geme<strong>in</strong>de<br />

teilnahm, <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong> e<strong>in</strong>geführt. Im großen Zimmer des Pfarrhauses schloss sich<br />

e<strong>in</strong> Festessen an, bei dem wir feststellen konnten, dass es <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong> an Männern nicht<br />

fehlte, die geistreiche Reden zu halten verstanden.<br />

Nun begann für mich e<strong>in</strong> ganz neues Leben.<br />

Ich war nicht mehr e<strong>in</strong>e Frau unter vielen, ne<strong>in</strong>, ich wurde „Frä Muatter“ – Frau<br />

Mutter genannt und wurde als Pfarrfrau zur Respektsperson. Mir wurde bewusst, dass<br />

ich mich als solche zu benehmen hatte. Dass es mir nicht gelang, als solche aufzutreten,<br />

mag dieses kle<strong>in</strong>e Erlebnis zeigen: Wir waren zu e<strong>in</strong>er Taufe e<strong>in</strong>geladen. Alle standen<br />

herum und begrüßten sich, da fiel ich der Großmutter des Hauses als Unbekannte auf,<br />

sie sah mich an und fragte: „Wiem bäst ta, me Kängd?“ – Wem bist du zugehörig, me<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d? Ich danke den Roslern, dass sie mich, uns, dreizehn Jahre lang mit all unseren<br />

menschlichen Schwächen getragen haben.<br />

Viele Jahre später hatte ich e<strong>in</strong> Erfolgserlebnis, das me<strong>in</strong> Selbstbewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong> wenig<br />

stärkte. Der Silverstergottesdienst war angesagt, me<strong>in</strong> Mann – der Pfarrer – war krank,<br />

aber er wollte den Gottesdienst halten, und wir bestellten ke<strong>in</strong>e Vertretung. Gegen<br />

Abend wurde es so schlimm: das Fieber stieg, er konnte nicht aufstehen. Was nun? Zum<br />

Absagen war es zu spät. Ich musste e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>e Lesepredigt war da, ich schrieb mir<br />

alles andere auf und g<strong>in</strong>g. Wenn ich mich jetzt nicht selbst ernst nahm, wie sollte die<br />

Geme<strong>in</strong>de es tun? Klopfenden Herzens g<strong>in</strong>g ich nach vorne, gab erst e<strong>in</strong>e Erklärung ab<br />

und – es g<strong>in</strong>g alles gut. Beim H<strong>in</strong>ausgehen sagte e<strong>in</strong> Kirchenvater zu mir: Frau Pfarrer,<br />

sie haben es gut gemacht – das können sie noch tun! Dazu muss man wissen, dass es zu<br />

der Zeit fast undenkbar war, dass e<strong>in</strong>e Frau predigte.<br />

Zu e<strong>in</strong>er neu gegründeten Familie gehören auch K<strong>in</strong>der. Me<strong>in</strong>e zehnjährige Tochter<br />

Hannelore lebte mit uns <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong>. Am 5. Dezember 1966 aber drängte Christel ungestüm<br />

ans Licht. Diese Geburt ist wert, erzählt zu werden.<br />

Erst f<strong>in</strong>g alles normal an. Um 11 Uhr abends begannen die Wehen. Me<strong>in</strong> Mann g<strong>in</strong>g<br />

<strong>in</strong>s Dorf zum Telefonieren. In Agnetheln war der Krankenwagen unterwegs <strong>in</strong> anderer<br />

Richtung, es konnte ke<strong>in</strong>e Hilfe zugesagt werden, also wurde Hanze Fred (Alfred<br />

Buchholzer) geweckt. Er war auch gleich bereit zu helfen und wollte bis zum Pfarrhof<br />

hochfahren. Neben dem „Konsum“ (Lebensmittelgeschäft) blieb er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dreckloch<br />

stecken.<br />

Bei mir g<strong>in</strong>g es immer heftiger und ke<strong>in</strong>er kam. Ich weckte die zwölfjährige Hannelore<br />

und schickte sie los zu Vancea Hilde, der Krankenschwester, und Sofia Merla,

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