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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Die kommunistischen Jahre<br />

Konservendosen als Nachttopf benützt und zu den Türritzen h<strong>in</strong>aus entledigt. Schandbar<br />

zu sagen, aber auch nicht zu verschweigen. Am 2. Februar, nach siebzehn Tagen Reise, kamen<br />

wir endlich <strong>in</strong> Mosp<strong>in</strong>o an und durften aussteigen – nach siebzehn Tagen ohne erquickenden<br />

Schlaf, immer nur im Sitzen, fielen wir wie besoffene Hennen aus den Waggons.<br />

Nicht alle hatten sich Wegzehrung mitgenommen. In Rumänien wurde ke<strong>in</strong>e Nahrung<br />

gereicht, nur Tr<strong>in</strong>kwasser. Auch <strong>in</strong> Russland wurden erst gegen Ende der Reise täglich zwei<br />

Hälften geräucherter und getrockneter Schafe an die Waggontüren gehängt, da konnte,<br />

wer wollte, sich davon bedienen. Wenige machten davon Gebrauch.<br />

Der Ankunft <strong>in</strong> Mosp<strong>in</strong>o folgte noch e<strong>in</strong> harter Akt: Es wurde all unser Mitgebrachtes<br />

genau kontrolliert und alle Gesangbücher, Neue Testamente, Bibeln, Bücher und Schriften<br />

weggenommen.<br />

In Mosp<strong>in</strong>o wurden wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en leeren Flachbau gesteckt, dem alle Scheiben fehlten. An<br />

die tausend Deportierte mussten wir uns den vorhandenen Raum teilen. Jeder bekam e<strong>in</strong>en<br />

Strohsack, die Decke dazu hatten wir von daheim mitgebracht. Die Fenster, zu denen<br />

W<strong>in</strong>d und W<strong>in</strong>ter here<strong>in</strong>bliesen, verhängten wir mit Kleidern. Zum Schlafen zogen wir<br />

uns nicht aus, sondern an, denn die Temperatur <strong>in</strong> den Räumen lag unter Null. Im Flur<br />

war zwar e<strong>in</strong> Kam<strong>in</strong>, der auch angrenzende Räume heizen sollte, aber es dauerte e<strong>in</strong> paar<br />

Tage, bis wir das Feuermachen gelernt hatten: Als Brennmaterial lagerte Kohlenstaub neben<br />

dem Feuerloch, doch damit Feuer zu machen, gelang uns nicht, bis der Jude Josef unser<br />

Lehrmeister wurde. Russische Frauen brachten uns Holz und Papier, damit mussten wir<br />

erst aus dem Staub ausgelesene Kohlenbrocken entzünden und, wenn sie fast abgebrannt<br />

waren, mit Kohlenstaub bedecken, dann kam alles <strong>in</strong> Schwelbrand. Versuchten wir es zu<br />

früh, den Staub zu benützen, erstickte alles.<br />

In den ersten Tagen bauten die Männer dreistöckige Betten. Wir Frauen mussten für die<br />

Küche sorgen. Zwei verrostete Kessel haben wir mit Salz re<strong>in</strong> gerieben, dennoch war die<br />

Borsch (e<strong>in</strong>e Art Suppe, mit aus dem Silo angesäuerten Tomaten oder Kraut zubereitet) <strong>in</strong><br />

den ersten Tagen rot. Geschirr gab es ke<strong>in</strong>es. Wohl dem, der leere Konservendosen hatte!<br />

Das Silo für Kraut, dem auch Möhren beigefügt wurden, Gurken und grüne Tomaten, war<br />

so angelegt, dass man h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>steigen und von dort schöpfen konnte, dafür stand e<strong>in</strong> Paar<br />

Gummistiefel bereit. Das Kraut wurde masch<strong>in</strong>ell gehobelt.<br />

Zum Kraut gab es <strong>in</strong> den ersten Jahren Knochen, Schädel und Klauen. Die Brotration e<strong>in</strong>es<br />

Schachtarbeiters war 1,2 Kilo pro Tag. Das war für uns Deportierte gut. Viel schwerer<br />

hatten es <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht die Russen, denn ihre Frauen und K<strong>in</strong>der erhielten nur 100 bis<br />

200 Gramm Brot, so mussten fürsorgende Väter ihre Portionen teilen.<br />

In den allerersten Tagen wurden wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e nahegelegene Küche geführt. E<strong>in</strong> Bewacher<br />

voran, e<strong>in</strong>er dah<strong>in</strong>ter, dann der Befehl: S<strong>in</strong>gen, und los g<strong>in</strong>g’s. „E<strong>in</strong> Heller und e<strong>in</strong> Batzen“,<br />

auch „Von F<strong>in</strong>nland bis zum Schwarzen Meer“ und andere Lieder sangen wir, die uns Gezwungenen<br />

das Gefühl gaben, unseren Gewalttuern überlegen zu se<strong>in</strong>.<br />

Bad gab es ke<strong>in</strong>es, sondern e<strong>in</strong>en Schuppen, <strong>in</strong> dessen Mitte e<strong>in</strong> ausgedientes Waggonettel<br />

der Kohlengrube auf e<strong>in</strong>e Feuerstelle gestellt wurde. Von dem dort erwärmten Wasser<br />

durfte jeder sich bedienen. Statt Waschmuscheln hatten die Männer aus Brettern Tröge<br />

hergestellt. Männle<strong>in</strong>, Weible<strong>in</strong> konnten wir dort morgens, abends Toilette machen. Erst<br />

im Frühjahr 1946 wurde durch den Schuppen e<strong>in</strong>e Mauer gezogen, um Männer und<br />

Frauen vone<strong>in</strong>ander zu trennen, aber beide schöpften wir aus demselben Waggonettel <strong>in</strong><br />

der Mauermitte.

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