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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Der Anfang vom Ende<br />

E<strong>in</strong> weiteres Problem musste gelöst werden. Von der Orgel, deren Prospektpfeifen Ende<br />

des Krieges abgebaut wurden, heißt es nun:<br />

„Der ganze Gottesdienst leidet unter ihren Missklängen. Wir müssen uns auch darüber im<br />

Klaren se<strong>in</strong>, dass bei e<strong>in</strong>em jahrelangen Gebrauch dieses Werkes das musikalische Gehör<br />

der ganzen Geme<strong>in</strong>de, vor allem aber der Jugend und der heranwachsenden K<strong>in</strong>der abgestumpft<br />

wird und E<strong>in</strong>buße erleidet.“<br />

Es gelang, e<strong>in</strong>e Umlage zu beschließen, und die Firma E<strong>in</strong>schenk setzte 1934 die Orgel<br />

wieder <strong>in</strong>stand.<br />

Der Vorsitzer stellte fest, dass e<strong>in</strong> 9 Joch großer Acker nur ger<strong>in</strong>ge Pacht e<strong>in</strong>brachte.<br />

Würde ihn die Geme<strong>in</strong>de mit Kartoffeln bebauen und diese der Amylonfabrik73 verkaufen,<br />

könnte e<strong>in</strong> Gutteil der Schulden gezahlt werden. Die Presbyter fanden sich bereit,<br />

drei Viertel des Bodens zu beackern, die Geme<strong>in</strong>devertretung den Rest; die Arbeit wurde<br />

von der Geme<strong>in</strong>de geleistet und es gelang.<br />

Auch durch andere geschickte Umschichtung von Fonds, Leihen aus dem Sparvere<strong>in</strong><br />

und Schuldentilgung bei der Bank erwies Pfarrer Lutsch se<strong>in</strong>e Umsicht und gewann<br />

Vertrauen.<br />

Anders im Umgang mit der Jugend. Es war Ball. Der Vorsitzer er<strong>in</strong>nerte die Presbyter<br />

an den Beschluss, „wonach die Jugend nur bis 12 Uhr tanzen darf“. Vom Stuhlsrichter<br />

holte sich die Jugend jedoch die schriftliche Genehmigung, bis 6 Uhr zu tanzen.<br />

„Vorsitzender fordert die Presbyter auf, sich Gehorsam und Autorität zu bewahren, und<br />

um 12 Uhr <strong>in</strong> den Saal zu treten und der Jugend den Tanz e<strong>in</strong>zustellen. Er macht darauf<br />

aufmerksam, dass bei Nichtdurchführung und =E<strong>in</strong>haltung des <strong>in</strong> Kraft stehenden Presbyterialbeschlusses<br />

über den Tanz, sich die Jugend gar nicht mehr um das Presbyterium<br />

kümmern, sich darüber aber lustig machen würde. Nun soll sich zeigen, befiehlt das Presbyterium<br />

der Jugend oder umgekehrt!<br />

Es entsp<strong>in</strong>nt sich e<strong>in</strong>e heiße Debatte, die damit endet, dass die Presbyter, außer dem Vorsitzenden,<br />

dem Schriftführer, Rektor Lautner, Kurator und den beiden Kirchenvätern, vor<br />

Schluss der Sitzung das Lokal verlassen, e<strong>in</strong>er nach dem andern.<br />

(Die Jugend tanzte nicht nur bis 6 Uhr, sondern bis gegen sieben Uhr.)“<br />

Lutsch aber setzte durch, dass jeder Tänzer und jede Tänzer<strong>in</strong>, die nach 12 Uhr noch<br />

tanzten, 10 Lei Strafe zahlten, wofür e<strong>in</strong>e Bruderschaftsfahne angeschafft wurde.<br />

Kirche und Schule erhielten vom Staat Steuergutsche<strong>in</strong>e, mit denen aber nur Steuern<br />

bis 1931 gezahlt werden konnten. Da das Landeskonsistorium noch rückständige Steuern<br />

hatte, konnten sie mit ihm verrechnet werden.<br />

Am 29. Juni 1934 hielt das Presbyterium e<strong>in</strong>e „Festsitzung“, deren Protokoll lautet:<br />

„E<strong>in</strong>führung der ‚Pf<strong>in</strong>gstkrone‘<br />

[Vorsitzender] betont, dass mit dem heutigen Peter­ und Paulstag e<strong>in</strong> alter, schöner Väterbrauch,<br />

die so genannte ‚Pf<strong>in</strong>gstkrone‘, <strong>in</strong> unsre Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>ziehe und dass der Zweck<br />

und S<strong>in</strong>n für die E<strong>in</strong>führung des neuen Brauches dar<strong>in</strong> bestehe, zur festen Verwurzelung<br />

unseres sächsischen Bauern mit se<strong>in</strong>er Heimat beizutragen. Aber nicht nur mit der Heimat<br />

und dem Boden, <strong>in</strong> dem die hohe Stange ruht, sollen wir <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander wachsen, sondern<br />

wir sollen auch mit unseren Ahnen, denen wir alles verdanken, stets <strong>in</strong> untrennbarer<br />

Verb<strong>in</strong>dung und unlösbarem Zusammenhang bleiben. Und wenn wir dies tun, werden<br />

73 Fabrik zur Herstellung von Stärke.

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