Roseln mitten in Siebenbürgen

1944 bis 1990
4.3.1 Enteignungen im Schenker Bezirk
Die Nordsiebenbürger wurden im September 1944 durch die deutsche Armee zur
Flucht gezwungen, etliche, nachdem die Front sie überrollt hatte, besonders von den
Russen, zur Heimkehr genötigt. Als sie heimkamen, fanden sie ihre Häuser besetzt,
ihren Boden hatten sie verloren und auch ihr sämtliches Gut. Ihre Lage war zum Verzweifeln.
Das Landeskonsistorium brachte sofort Hilfsmaßnahmen in Gang, die – wie
folgende Übersicht zeigt – viel Verständnis in den Gemeinden Südsiebenbürgens fanden,
die ähnlichen Verhältnissen zutrieben.
Pfarrer Csallner, selbst Bistritzer, stellte sich gegen die Bettelei einzelner Gemeindeglieder,
setzte sich aber für entsprechende Unterstützung der Notleidenden ein. Dank
der Tatsache, dass der Bezirk ihm die Hilfsaktion übertrug, liegen Fragebogen auf, die
tiefen Einblick in die Besitzverhältnisse des Schenker Bezirkes im Oktober 1946 gewähren.
Im Vergleich zu den Verhältnissen der dreißiger Jahre, der Wirtschaftskrise und der
Unzufriedenenbewegung ist festzustellen, dass die Not den Zusammenhalt und die Gebefreudigkeit
so gestärkt hatte, dass deutlich ein innerliches Wachstum der Gemeinden
spürbar war (vgl. Tabelle Enteignungen 47 auf der folgenden Seite).
Pfarrer Csallner setzte sich dafür ein, Bistritzer Kindern ein Zuhause zu bieten, Sicherheit
und Unterricht, was sie in Nordsiebenbürgen nicht mehr haben konnten. Auch
in den bedrängten Verhältnissen des Pfarrhauses nahm er zu seinen sechs noch ein weiteres
Kind auf. Woher die Zahlen für die insgesamt 144 Kinder der Tabelle stammen,
die in Gemeinden des Großschenker Bezirks untergebracht werden könnten, ist nicht
bekannt. Die vorliegenden Berichte widersprechen ihnen, doch wurden sie von Csallner
gewiss nicht aus der Luft gegriffen. – Eine Aktion, bei der die Presbyter von Haus zu
Haus gingen und fragten, wer bereit sei, Kinder aus Nordsiebenbürgen aufzunehmen,
verlief letztlich im Sand, da allein schon der Transport der Kinder nicht zu bezahlen
war. Doch liegt eine Liste von acht Kindern aus Jaad auf, die im Laufe des Jahres 1946
kamen. Belegt ist auch, dass in Roseln noch mehr Jaader untergebracht und versorgt
wurden: außer den Kindern mindestens zwei Familien, die wohl zwei bis drei Jahre lang
in der Gemeinde lebten.
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Anekdote: englische heerscharen in der weihnachtspredigt
Es muss zu Weihnachten 1946 gewesen sein, als ein Pfarrer des Harbachtals in seiner
Weihnachtspredigt von den „englischen Heerscharen“ predigte, die den Hirten auf dem
Felde zu Bethlehem erschienen.
Nicht lange darauf wurde er vorgeladen – es ist nicht bekannt, ob nur vor einen Bevollmächtigten
des Kultusministeriums oder gar vor die Sicherheitspolizei – verhört und
seines Amtes enthoben. Zwar durfte er bald darauf sein Amt wieder ausüben, doch wurde
ihm für etliche Monate die Kongrua, der staatliche Anteil seines Gehaltes, gestrichen.
Es war damals schon die Zeit des Kalten Krieges und ihm wurde nicht abgenommen,
dass er allein das Heer der Engel gemeint habe.
47 Die Tabelle unter ZAEKR 400/254­210.
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