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Roseln mitten in Siebenbürgen

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254<br />

Die kommunistischen Jahre<br />

dessen zweite und dritte Strophe lauten: „Ob du dich auch von mir kehrst, mir de<strong>in</strong><br />

Angesicht verhüllest, mich mit neuem Leid beschwerst, mich mit neuer Angst erfüllest;<br />

dennoch ruf ich Herr, zu dir; endlich, endlich hilfst du mir. – Wann und wie? Was<br />

kümmerts mich! Weiß ich doch, es wird geschehen. Vater, nimmer lass ich dich, endlich<br />

hörst du doch me<strong>in</strong> Flehen; machst mich frei von aller Not, wär’s zuletzt auch durch<br />

den Tod.“ Als Hauptlied der Vesper s<strong>in</strong>gt die Geme<strong>in</strong>de Johann Schefflers „Mir nach<br />

spricht Christus unser Held“, <strong>in</strong> dessen dritter Strophe im siebenbürgischen Gesangbuch<br />

steht: „Me<strong>in</strong> Geist und Wille, Kraft und S<strong>in</strong>n ist Gott ergeben: schaut auf ihn!“<br />

Siebenbürgisch lautet die sechste Strophe: „Wer hier se<strong>in</strong> Heil zu f<strong>in</strong>den me<strong>in</strong>t, wird’s<br />

ohne mich verlieren; wer hier es zu verlieren sche<strong>in</strong>t, den werd ich dazu führen. Wer<br />

nicht se<strong>in</strong> Kreuz nimmt <strong>in</strong> Geduld, ist me<strong>in</strong> nicht wert und me<strong>in</strong>er Huld.“ Das Lied<br />

schließt: „denn wer nicht kämpft, trägt auch die Kron des ew’gen Lebens nicht davon!“<br />

Ob die Betrachtung über 2. Tim. 1,12, „Aus diesem Grunde leide ich dies alles; aber ich<br />

schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und b<strong>in</strong> gewiss, er kann<br />

mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag“, von Adolf Lutsch verfasst oder<br />

aus e<strong>in</strong>em Andachtsbuch, gewiss treffend, ausgewählt wurde, wissen wir nicht.<br />

Die Jugend sitzt abends um zehn Uhr noch vor der Staatsschule und s<strong>in</strong>gt. Der Krieg<br />

ist vorbei. Es muss nicht mehr geschossen werden. Wetterleuchten kündet e<strong>in</strong> Unwetter<br />

an. Da sieht man am Dorfe<strong>in</strong>gang das Schwe<strong>in</strong>werferlicht e<strong>in</strong>es kommenden Autos. Es<br />

hält, die Lichter verlöschen. Ke<strong>in</strong> gutes Zeichen. Auch beg<strong>in</strong>nt es zu regnen. Schnell<br />

verteilt sich die Jugend.<br />

Dem Lastkraftwagen entsteigen e<strong>in</strong> Mann <strong>in</strong> Zivil, e<strong>in</strong>e Frau und zwei Männer <strong>in</strong><br />

russischer Uniform. Auf dem Weg zum Dorfzentrum greifen sie Wilhelm Widmann,<br />

Nr. 93a auf, er solle sie zum Pfarrer führen, „Popa [Der Pfarrer]“, sagen sie. Unterwegs<br />

schließt sich Thomas Klockner se<strong>in</strong>em Freund Wilhelm an. Das Unwetter entlädt sich<br />

über der Geme<strong>in</strong>de.<br />

–<br />

Als <strong>in</strong> den 60er Jahren dem Verfasser als neu gewähltem Ortspfarrer die Vorfälle von<br />

damals erzählt wurden, stand an erster Stelle, dass Adolf Lutsch durch drei Schüsse<br />

h<strong>in</strong>ter der geschlossenen Türe erschossen worden wäre. E<strong>in</strong>e sächsische Kellner<strong>in</strong> aus<br />

Henndorf, die ihn herauslocken sollte, galt als verworfene Person, die sich für so e<strong>in</strong>en<br />

Dienst hergab. „Sie hat auch nachher e<strong>in</strong>en Rumänen geheiratet!“ Jemand wusste, dass<br />

sie angegeben hätte, dass Pfarrer Lutsch an dem Sonnabend <strong>in</strong> dem Gasthof gespeist<br />

hatte, als dem Russen Uniform, Akten und die Waffe entwendet worden waren. Jemand<br />

erzählte, dass der Primar Banu, um diese Zeit aus Agnetheln heimkehrend, als<br />

er die Schüsse hörte, se<strong>in</strong>em Kutscher, e<strong>in</strong>em Sachsen, gesagt haben soll: „Jetzt wurde<br />

euer Pfarrer erschossen.“ Also war die Tat – so musste daraus geschlossen werden – e<strong>in</strong><br />

Beschluss, von dem der Primar Kenntnis hatte. Thomas Klockner erzählte damals auch,<br />

was als se<strong>in</strong> Zeugnis weiter unten folgt (siehe Punkt 3, S. 257).<br />

–<br />

Wollen wir Klarheit <strong>in</strong> das lange zurückliegende Ereignis br<strong>in</strong>gen, so müssen wir<br />

alle noch erfassbaren Zeugnisse zusammentragen und sprechen lassen. Wir werden zu<br />

e<strong>in</strong>em anderen Resultat kommen. Zuerst also die Kronzeugen, die ältesten schriftlichen<br />

Zeugnisse.

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