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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Unsere Er<strong>in</strong>nerungen und Gedanken<br />

As misch och sen bäffel<br />

Von Gerhard Stirner<br />

Bäm Kliuß (am Klageberg) wiederholt sich die Geschichte. Der Sage nach erhielt der<br />

Berg se<strong>in</strong>en Namen, weil Dorfbewohner auf diesem Berg das Schicksal derer beklagten,<br />

die von fremden Kriegern <strong>in</strong> die Fremde verschleppt wurden.<br />

Auf der Schönberger Hill wurden sie zuletzt gesehen, bevor sie <strong>in</strong> der Ferne verschwanden.<br />

Heute, viele Jahre danach, klagen wieder Dorfbewohner, diesmal aus der Fremde<br />

kommend, am Klageberg. Sie beklagen meist ihr eigenes Schicksal und viel weniger das<br />

<strong>Siebenbürgen</strong>s.<br />

„Was macht ihr denn da?“, würden unsere Ahnen ihnen zurufen. „Wieso seid ihr<br />

am Klagen? Wir haben die Pest, Not, Elend, Tatarenstürme und die Stürme anderer<br />

Völker erlebt – und überlebt. Und ihr? Ihr seid davongelaufen vor dem bisschen Kommunismus.<br />

E<strong>in</strong> Lidschlag <strong>in</strong> der Geschichte der Völker. Ihr seid das schwächste Glied<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kette von Generationen über Jahrhunderte h<strong>in</strong>weg. Wie konnte euch das nur<br />

passieren?“<br />

Und wir, die wir am Klageberg klagen, haben ke<strong>in</strong>e Antwort bereit. Nur e<strong>in</strong> Stammeln:<br />

„Was hätten wir tun sollen? Es ist halt passiert. Wir glaubten und wir hoffen<br />

noch immer, dass die neue Heimat die alte ersetzen wird.“ Eigentlich klagen wir nicht.<br />

Wehmut erfasst uns.<br />

Und tatsächlich, wer <strong>in</strong> diesem Herbst kurz vor der Jahrtausendwende das Dorf am<br />

Fuße des Klageberges betrachtete, idyllisch, leblos <strong>in</strong> der Abendsonne, den ergreift Wehmut.<br />

Wehmut, weil es nicht mehr das Dorf ist, weil der We<strong>in</strong>garten, der Obstgarten,<br />

den der Blick sucht, verschwunden ist. Ganz h<strong>in</strong>ten im Tal hängen die ersten Herbstnebel<br />

wie Schleier über den Fluren.<br />

Die Er<strong>in</strong>nerung zwängt e<strong>in</strong> anderes Dorf auf, viel lebendiger, farbenfroher. Um diese<br />

Zeit, viele Jahre zuvor, zogen Fuhrwerke kurz vor dem Abendwerden dem Dorf zu,<br />

krächzend unter der Last der e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>genden Ernte, Staub aufwirbelnd. Oben auf der<br />

Ladung saßen Dorfbewohner, e<strong>in</strong> müdes Lächeln im Gesicht, gezeichnet von der Müh<br />

und Plage des Tagewerkes. Daneben K<strong>in</strong>der, fröstelnd <strong>in</strong> der abendlichen Kühle, e<strong>in</strong>gehüllt<br />

<strong>in</strong> Decken oder übergroßen Klamotten der Erwachsenen.<br />

E<strong>in</strong> Fuhrwerk bleibt <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung fest verankert: As 3 Misch mit se<strong>in</strong>em Büffelwagen.<br />

Er geht neben den Büffelkühen e<strong>in</strong>her, wendet sich ihnen das e<strong>in</strong>e oder andere<br />

Mal zu, um sie sachte anzutreiben oder mit Zurufen zu steuern. Es ist ke<strong>in</strong>e Hektik,<br />

ke<strong>in</strong> Stress dabei und doch muss die Ernte <strong>in</strong> gewisser Eile e<strong>in</strong>gebracht werden. Bald<br />

weicht der Herbstregen die Landstraße und die Fluren auf, Schlaglöcher füllen sich mit<br />

Morast und erschweren das Durchziehen der Wagen. Ab und zu bleibt e<strong>in</strong> Wagen stecken,<br />

die Ladung verrutscht oder kippt. Dann werden Mensch und Tier auf e<strong>in</strong>e harte<br />

Probe gestellt. Die große Zugkraft der Wasserbüffel ist gefragt, sie müssen auf Zuruf<br />

reagieren. Es ist Teamarbeit.<br />

3 „As“ Misch (Michael) oder „as“ Tik (Kathar<strong>in</strong>a) bezeichnet e<strong>in</strong>e meist der Familie zugehörige<br />

oder ihr sehr nahestehende Person, manchmal auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>er größeren Geme<strong>in</strong>schaft nahestehende<br />

Persönlichkeit. Hier ist damit e<strong>in</strong> frei erfundener typischer Rosler geme<strong>in</strong>t.

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