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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Unsere Er<strong>in</strong>nerungen und Gedanken<br />

was sie sonst noch brauchten, erhalten hatten, zogen sie von dannen. Dieter kam ihrer<br />

Bitte, doch mitzugehen, nicht nach, er wollte alle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Schicksal bestimmen.<br />

In der Zeit wurde im Dorf noch „getrommelt“, wenn was vom Rathaus zu melden<br />

war. Und so wurde an e<strong>in</strong>em trüben Novembermorgen verkündet, dass sich alle Männer<br />

bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Alter beim Rathaus melden sollten, denn es sollte auf dem Hattert<br />

und <strong>in</strong> den Wäldern nach deutschen Soldaten gesucht werden.<br />

Me<strong>in</strong> Vater kam ganz aufgeregt heim und sagte mir, ich solle me<strong>in</strong> Pferd vor den Wagen<br />

spannen und <strong>in</strong> die Falmenhom fahren und Dieter verständigen. Das war für mich<br />

nicht nur sehr aufregend, sondern auch sehr gefährlich.<br />

Als ich Sultan zurief, hörte Dieter, dass ich diesmal mit dem Wagen kam. Ich g<strong>in</strong>g<br />

gleich zu ihm hoch und brachte ihm die Neuigkeiten. Jetzt mussten wir für ihn e<strong>in</strong> anderes<br />

Versteck suchen. Wir packten se<strong>in</strong>e Sachen und Bücher <strong>in</strong> den Wagen und deckten<br />

sie mit Maisblättern und ­stängeln zu. Danach erklärte ich ihm den Weg zum Dorf.<br />

Auf dem Feld waren noch etliche Felder mit Maisstängeln, die nicht geschnitten waren,<br />

oder ganze Maishaufen gelagert. Dieter schlich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es halben Tages bis an den<br />

Wieskenbach. Wir hatten uns verabredet, und ich sollte ihn <strong>in</strong> der Abenddämmerung<br />

abholen und mich durch e<strong>in</strong> besonderes Pfeifen bemerkbar machen. Das hat auch<br />

alles geklappt. Wir haben uns ohne weitere Vorkommnisse getroffen und ich habe ihn<br />

danach zu Oma Zucker Nr. 77 gebracht. Die Oma lebte damals mit ihrer Enkeltochter<br />

Kathar<strong>in</strong>a Zucker im Haus. Das Essen erhielt Dieter auch weiterh<strong>in</strong> von uns. Abends<br />

musste ich ihn immer besuchen.<br />

In Omas Keller hob er sich e<strong>in</strong> Loch aus, wo er sich se<strong>in</strong> Versteck e<strong>in</strong>richtete. Dort<br />

hatte er auch e<strong>in</strong>en Sandsack, den er als Boxsack benützte. Abends, wenn ich ihn besuchte,<br />

musste ich mit ihm boxen und Sportübungen machen. Mir machte das zu der<br />

Zeit ke<strong>in</strong>en Spaß; wir waren junge Kerle und g<strong>in</strong>gen viel lieber Karten spielen. Wenn<br />

ich ihn mal e<strong>in</strong>en Abend nicht besuchte, fragte er gleich, wo ich denn gewesen sei, denn<br />

von unserem Kartenspielen wollte er nichts wissen. Er sagte immer: „Du, so Jungen wie<br />

ihr, die müssen viel Sport machen und andere Spiele!“<br />

Die ganze Zeit, die er bei Oma Zucker war, übernachtete er abwechselnd auch bei<br />

uns. E<strong>in</strong> paar Tage hier, dann dort.<br />

Es war schon Dezember, da saßen wir mal e<strong>in</strong>es Abends bei uns zu Hause <strong>in</strong> der<br />

Küche. Sultan wachte im Hof. Sobald e<strong>in</strong> Fremder kam, bellte der Hund und Dieter<br />

verschwand dann schnell im Keller. In der großen Stube war e<strong>in</strong>e Deckenluke, die stand<br />

meist offen und da versteckte sich Dieter. Abends wurde alles abgesperrt. Tagsüber<br />

nicht, damit ke<strong>in</strong> Verdacht aufkam.<br />

Wie schon erwähnt, war Dieter immer nur leicht angezogen. E<strong>in</strong>es Abends saßen<br />

wir <strong>in</strong> der Küche, Dieter, nur mit Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gshose und e<strong>in</strong>em Unterhemd bekleidet, saß<br />

neben dem Ofen, und wir erzählten allerlei Erlebnisse. Auf e<strong>in</strong>mal g<strong>in</strong>g die Türe auf,<br />

Dieter sprang <strong>in</strong> das Nebenzimmer, und unsere Nachbar<strong>in</strong>, Rochus Martha, damals<br />

sechzehn Jahre alt, trat here<strong>in</strong>. Sie brachte e<strong>in</strong>e Kirchenmeldung. Damals schickte der<br />

Pfarrer das Nachbarzeichen 2 von Haus zu Haus. Der Zettel wurde von Haus zu Haus<br />

2 Nachbarschaftszeichen: Auf e<strong>in</strong>em herzförmigen Holz wurde, mit e<strong>in</strong>em Gummiband befestigt,<br />

e<strong>in</strong>e schriftliche Nachricht weitergereicht. Manchmal wurde auch nur e<strong>in</strong>e kurze mündliche<br />

Durchsage weitergegeben. Das „Zeichen“ musste sofort weitergetragen und verkündet<br />

werden, durfte nicht etwa irgendwo – auch nur für kurze Zeit – h<strong>in</strong>gelegt werden.

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