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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Kriegsjahre<br />

ten. Das nahm er an, probierte, verdrehte die Augen, nahm die drei Feldflaschen und<br />

ließ uns weiterfahren. Weit kamen wir freilich nicht, denn <strong>in</strong> der nächsten Ortschaft<br />

hatten fünf Soldaten e<strong>in</strong>e Straßensperre errichtet und nahmen uns dort den Lkw ab. Er<br />

war mit Kleidung und Lebensmitteln beladen, die mussten wir alle abladen. E<strong>in</strong> Behälter<br />

mit Speiseöl weckte die Begierde e<strong>in</strong>es der Russen. Er zeigte mir, ich solle ihm helfen,<br />

den abzuladen. Es war e<strong>in</strong> Gefäß von etwa 40 Liter. Die Kameraden riefen mir zu: „Lass<br />

den zufrieden, komm mit uns.“ „Geht ihr voran, ich folge euch“, rief ich ihnen zur<br />

Antwort und half dem Russen, den Behälter tragen. Ich war mir bewusst, als E<strong>in</strong>zelner<br />

eher der Gefangenschaft entgehen zu können als <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Der Russe brachte<br />

mich zu e<strong>in</strong>er Feldküche, wo ich auch satt zu essen erhielt. Nun fragte er mich, woher<br />

ich käme und ich erklärte ihm: aus Rumänien. Da ich zur Toilette musste, schellte ich<br />

an e<strong>in</strong>er Tür. E<strong>in</strong>e Frau öffnete e<strong>in</strong>en Spalt breit, und als sie mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Uniform<br />

sah, verweigerte sie mir den E<strong>in</strong>tritt. Aber ich erklärte ihr, dass ich von dem Russen<br />

geschickt worden wäre, und so gelang es mir, <strong>in</strong>s Haus zu kommen. Beim Abschied<br />

fragte sie mich, was ich am Fuß hätte. Nachdem ich es ihr erklärt hatte, gab sie mir e<strong>in</strong><br />

Paar Filzstiefel, damit ich gehen könne. Als ich ihr dankte, standen plötzlich drei K<strong>in</strong>der<br />

um uns herum. Da sah uns der Russe und rief der Frau zu, sie solle dem Jungen e<strong>in</strong>en<br />

Topf geben, damit sie ihnen Essen geben könnten, mich aber fragte er, was ich mit den<br />

Stiefeln machen würde? Ich schenkte sie ihm, er fiel mir vor Freude um den Hals und<br />

küsste mich. In der Zeit wurden auf der Straße zweitausend Gefangene abgeführt, unter<br />

denen ich auch die fünf (zwei Offizier und drei Soldaten) erkannte, die mit mir auf dem<br />

Lkw gesessen hatten. So hatte ich e<strong>in</strong> Gottesglück, dass ich nicht dabei gewesen b<strong>in</strong>.<br />

Als die Straße wieder frei war, g<strong>in</strong>g ich mit dem russischen Soldaten zum Straßenrand.<br />

Der sah aus der Ferne e<strong>in</strong>en Lkw mit dem Aufdruck des Roten Kreuzes kommen und<br />

machte ihnen Zeichen zu halten. E<strong>in</strong>e Schwester stieg aus, fragte mich, ob ich verwundet<br />

und ob ich e<strong>in</strong> deutscher Soldat sei. Dann durfte ich e<strong>in</strong>steigen, wurde auf die Bahre<br />

gelegt und verbunden, obgleich sie nur blutiges Verbandzeug hatte. Unterwegs nahmen<br />

sie noch e<strong>in</strong>en achtzehnjährigen Soldaten auf. Nach zwei Kilometern kamen wir <strong>in</strong> die<br />

Stadt Kratzau. Hier versagte, nach e<strong>in</strong>em weiteren Kilometer, der Motor. Die Schwester<br />

g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Haus und fand e<strong>in</strong>e Frau, die uns erlaubte, bei ihr zu übernachten. So trugen<br />

uns die Sanitäter mit der Bahre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Vier Tage konnten wir dort bleiben, dann musste<br />

das Haus für Russen geräumt werden. Da im Schulgebäude deutsche Flüchtl<strong>in</strong>ge aus<br />

der Slowakei von den Russen untergebracht worden waren, fanden wir letztendlich auch<br />

dort Unterschlupf. Zum Lagerverwalter hatten die Russen e<strong>in</strong>en Slowaken namens Chischek<br />

ernannt, dessen Frau e<strong>in</strong>e Deutsche war. Herr Chischek hatte dort e<strong>in</strong>en isolierten<br />

Raum e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> dem er Kranke, aber auch se<strong>in</strong>e Frau untergebracht hatte. An der<br />

Türe stand „E<strong>in</strong>treten verboten! Ansteckende Krankheiten“. In diesen Raum nahm er<br />

auch uns auf.<br />

Am nächsten Morgen klopfte es an die Tür. Als Frau Chischek öffnete, stand der<br />

Priester davor und fragte, ob er e<strong>in</strong>treten dürfe. Er fragte nach allen Anwesenden und<br />

Frau Chischek sagte ihm auch, der im letzten Bett käme aus Rumänien. So kam er zu<br />

mir und sagte: „Haben Sie ke<strong>in</strong>e Angst, ich b<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong> Deutscher, b<strong>in</strong> katholischer<br />

Pfarrer der Kirche hier <strong>in</strong> Kratzau. Ich habe e<strong>in</strong>en Kollegen, Pfarrer aus Rumänien, aus<br />

Temeschburg. Kommen Sie, besuchen Sie uns.“ Ich musste ihm sagen, dass ich das<br />

nicht wagen dürfe, da ich ke<strong>in</strong>e Zivilkleider habe. Er eilte nach Hause, kam kurz darauf<br />

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