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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Kriegsjahre<br />

In den folgenden Tagen kamen viele, meist Zigeuner, mit leeren Säcken vorbei und<br />

leerten den „Fruchtkasten“. Dabei sahen sie viele Ferkel <strong>in</strong> unserem Hof.<br />

Nachbar Fleischer und Pfarrer Lutsch hatten das Deutsche Edelschwe<strong>in</strong> nach <strong>Roseln</strong><br />

e<strong>in</strong>geführt. Diese Rasse vermehrte sich schnell und me<strong>in</strong> Vater kaufte von unserem<br />

Nachbarn auch welche. Schon der erste Wurf hatte viele Ferkel gebracht. Für wen wohl?<br />

Das sollte sich <strong>in</strong> den nächsten Tagen zeigen.<br />

Die Zigeuner kamen wieder mit leeren Säcken und nahmen nun die Ferkel mit. Die<br />

beiden letzten holte sich der Jacobutz (e<strong>in</strong> Rumäne). Me<strong>in</strong>e Mutter verbot mir, ihm zu<br />

helfen. Er jagte h<strong>in</strong>ter den Ferkeln her und kam dabei <strong>in</strong>s Schwitzen. In den nächsten<br />

Tagen erkrankte er an e<strong>in</strong>er Lungenentzündung. Nach se<strong>in</strong>er Genesung brachte er die<br />

Ferkel mit folgenden Worten zurück: „Ce ţie nu­ţi place, altui nu­i face.“ – Was du<br />

nicht willst, dass man dir tu, das füg auch ke<strong>in</strong>em anderen zu. Er betrat den Hof, den<br />

er für verhext (spurcat) hielt, nicht, sondern öffnete e<strong>in</strong>fach das Tor und ließ die Ferkel<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>laufen. Er verdächtigte me<strong>in</strong>e Mutter, sie hätte ihn krankbeten lassen.<br />

Dieses war unser Glück. Die Schwe<strong>in</strong>chen wurden groß und konnten vor Weihnachten<br />

geschlachtet werden. So kamen wir gut durch den W<strong>in</strong>ter.<br />

Obwohl uns die Kühe enteignet worden waren, blieben sie auf unserem Hof, denn<br />

dieser Zigeuner hatte ke<strong>in</strong>en Stall.<br />

Im Sommer g<strong>in</strong>g ich als Hütejunge mit fremden Kühen auf e<strong>in</strong>e Weide, nahe des<br />

Zigeunerfriedhofs. Von hier aus hatte ich e<strong>in</strong>en guten Blick über das Dorf. Abends<br />

bekam ich für me<strong>in</strong>e Dienste e<strong>in</strong>en Liter Milch. Für me<strong>in</strong>e Mutter, die zwei K<strong>in</strong>der zu<br />

versorgen hatte, war dieses viel wert.<br />

In der Zeit, als die Kühe unter der Bremsenplage zu leiden hatten, wurde ich vom<br />

Zigeuner „Kurzhals“ schon um vier Uhr morgens geweckt, um mit den Kühen auf die<br />

Weide zu gehen. Als ich noch halb schlafend <strong>in</strong> den Hof torkelte, standen die Kühe<br />

schon bereit. Ich packte e<strong>in</strong>e Kuh am Schwanz und ließ mich, noch ziemlich müde,<br />

nachziehen. Das Vieh kannte den Weg zur Weide. E<strong>in</strong>mal ertappte ich mich dabei, dass<br />

ich am Kuhschwanz e<strong>in</strong>geschlafen war und erst wach wurde, als ich barfuss auf die nasse<br />

Wiese trat. Am Abend erzählte ich das me<strong>in</strong>er Mutter und er<strong>in</strong>nerte mich dabei an die<br />

Erzählung des Heimkehrers. Er hatte doch nicht gelogen: Man kann auch während des<br />

Gehens schlafen.<br />

Am Sonntag fiel es mir besonders schwer. Ich sah oben vom Berg die K<strong>in</strong>der im Dorf<br />

herumlaufen und hörte, wie jemand auf e<strong>in</strong>er Ziehharmonika im Schulhof spielte. Dabei<br />

fiel mir das Lied e<strong>in</strong>, das wir bei Lehrer Re<strong>in</strong>er gelernt hatten:<br />

Ich b<strong>in</strong> vom Berg der Hirtenknab,<br />

seh auf die Täler all herab.<br />

Die Sonne sche<strong>in</strong>t am ersten hier,<br />

am längsten weilet sie bei mir.<br />

Ich b<strong>in</strong> der Knab vom Berge.<br />

Wenn ich dieses Lied da oben auf dem Berg sang, liefen die Tränen über me<strong>in</strong> Gesicht.<br />

E<strong>in</strong>es Tages lud der „Neue Bauer“ alle unsere Geräte auf den Wagen, spannte an, band<br />

den Büffel, den er am Vorabend aus der Staatsreserve6 gekauft hatte, an den Wagen an<br />

6 Boden, der vom Staat verwaltet wurde.<br />

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