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Roseln mitten in Siebenbürgen

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Vor der Reformation<br />

E<strong>in</strong> Vergleich des Andreanums, des großen Freibriefs der Siebenbürger Sachsen von<br />

1224, mit schlesischen Urkunden hilft uns, manches zu verstehen. Von den elf für Urkunden<br />

typischen Formeln f<strong>in</strong>den wir im Andreanum neun; ihm fehlt e<strong>in</strong>e Drohformel<br />

und die Nennung von Zeugen. Aber die Bekräftigung (Corroboratio) und der gesamte<br />

Textfluss erübrigen Drohung, das doppelte Siegel erübrigt weitere Zeugen. Von den <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er deutschen Fassung bei Ernst Wagner 14 angeführten 15 Punkten, umfassen fünf<br />

(1­4 und 13) Pflichten, während zehn (5­12 und 14­15) Rechte der Siedler festhalten.<br />

An erster Stelle steht dabei das freie Pfarrwahlrecht mit der Pflicht zur Präsentation<br />

der Gewählten, ohne Nennung, wem sie zu präsentieren s<strong>in</strong>d. Es wird angekündigt,<br />

verloren gegangene Freiheiten wiederherzustellen, ohne diese zu benennen. Armut wird<br />

zweimal angesprochen und e<strong>in</strong>mal zusätzlich angespielt: zuerst die ganze Geme<strong>in</strong>schaft<br />

betreffend, weswegen der König zu dieser Rechtshandlung bewegt wird. Wald und<br />

Wasser, über die alle<strong>in</strong> der König zu verfügen hat, sollen Armen wie auch Reichen<br />

(man beachte die Reihenfolge!) <strong>in</strong> gleicher Weise zur Verfügung stehen. (Wobei wir<br />

uns er<strong>in</strong>nern, dass die Gräfen die ersten Besitzer von Mühlen und Fischteichen waren!<br />

Freilich wäre es auch möglich, dass alle<strong>in</strong> der Gräfenbesitz belegt wurde, während die<br />

Geme<strong>in</strong>den solche „selbstverständlich“ ebenfalls besaßen.) Der Befehl, alle ihre Märkte<br />

abgabenfrei zu halten, begünstigte vor allem die Unbemittelten. Es kann dem König der<br />

Unterschied zwischen wohlhabenden Gräfen und Armen nicht entgangen se<strong>in</strong>. Indem<br />

er sie aber (unus sit populus = es sei e<strong>in</strong> Volk, e<strong>in</strong>e geschlossene Geme<strong>in</strong>schaft) als Volk<br />

im Ganzen anspricht und unter e<strong>in</strong>em Recht e<strong>in</strong>igt, verleiht er ihnen mehr Macht. So<br />

benötigte er sie, und so schlossen auch sie sich zusammen, weil sie wussten: E<strong>in</strong>igkeit<br />

macht stark.<br />

War das viel zitierte unus sit populus, es möge e<strong>in</strong> Volk se<strong>in</strong>, alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Wunsch des<br />

Königs, dem solche E<strong>in</strong>heit im damaligen Streit gegen die Ordensritter im Burzenland<br />

gelegen kam? Oder war der Wunsch, e<strong>in</strong>s zu se<strong>in</strong>, an ihn herangetragen worden? Es war<br />

und blieb e<strong>in</strong> Wunsch, damals und bis heute nie gänzlich erfüllt, außer <strong>in</strong> diesen viel<br />

zitierten Worten des goldenen Freibriefs. Daher kommt ihnen solche Bedeutung zu.<br />

So viele Geme<strong>in</strong>den je waren, sie waren jede e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit für sich, man denke nur an<br />

Neustadt am Harbach und Neithausen, die nur durch diesen Bach getrennt wurden,<br />

aber zwei verschiedenen kirchlichen Kapiteln zugehörten, Neustadt mit sieben Geme<strong>in</strong>den,<br />

zu denen auch <strong>Roseln</strong> gehört, zur Schenker Surrogatie des Kosd/Repser Kapitels,<br />

Neithausen zum Kisder Kapitel, also zu Schäßburg. Auch zu zwei verschiedenen Stühlen<br />

gehörten sie, Neustadt zum Schenker Stuhl, Neithausen zum Schäßburger. Am Sprechgesang<br />

erkennt man die Neustädter sofort, und darüber h<strong>in</strong>aus könnte noch manches<br />

über ihre Verschiedenheit gesagt werden, aber es geht nicht um Neithausen oder Neustadt,<br />

sondern um E<strong>in</strong>heit und Verschiedenheit aller unserer Geme<strong>in</strong>den. In und durch<br />

alle Verschiedenheiten h<strong>in</strong>durch, durch vielfältige Spannungen, ist das unus sit populus<br />

e<strong>in</strong> selbst gewählter Wunsch geblieben und im Gang der Geschichte bis heute weith<strong>in</strong><br />

verwirklicht worden, letztendlich nicht nur von Broos bis Draas, sondern von Hunedoara<br />

oder gar Wolfendorf bis Tschippendorf und heute weit darüber h<strong>in</strong>aus.<br />

Während <strong>in</strong> schlesischen Lokationsurkunden das <strong>in</strong> jener Zeit verb<strong>in</strong>dliche Personenrecht<br />

zur Geltung kam, dennoch jede Urkunde, <strong>in</strong>dem sie, dieses Recht zitierend,<br />

14 Ernst Wagner: Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen, S. 15­20.<br />

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