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Roseln mitten in Siebenbürgen

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4. dIe kommunIStISchen JAhre<br />

(1944 bis 1990)<br />

4.1 die deportation nach russland<br />

Im Januar 1945 wurden auf Befehl Stal<strong>in</strong>s 125.000 Deutsche aus Rumänien, Bulgarien,<br />

Ungarn, Jugoslawien und der Tschechoslowakei zum „Wiederaufbau“ <strong>in</strong> die Sowjet<br />

union (nach „Russland“) deportiert – die Mehrzahl davon, etwa 70.000 aus Rumänien<br />

(vgl. dazu auch den Stichworte<strong>in</strong>trag „Deportation“ im Sachregister).<br />

Die Deportation betraf alle sächsischen Männer, die nach dem 1. Januar 1901 bis vor<br />

dem 31. Dezember 1927 geboren, und alle sächsischen Frauen, die nach dem 1. Januar<br />

1916 bis vor dem 31. Dezember 1926 geboren wurden (vgl. dazu auch die Tabelle der<br />

Deportierten im Anhang, S. 494ff.).<br />

Die Gewährsfrau der Deportation nach Russland, wie wir geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> sagten, e<strong>in</strong>deutiger<br />

formuliert <strong>in</strong> die SU oder UdSSR, ist Anna Albrich. 1 Warum gerade sie? Drei<br />

Gründe waren ausschlaggebend: Erstens war sie damals mit 21 Jahren und ohne eigene,<br />

direkte familiäre B<strong>in</strong>dung unbeschwerter für diese ungewöhnlichen Lebenserfahrungen.<br />

Zweitens war sie dafür offen, sich Fragen stellen zu lassen – und ich durfte viel fragen.<br />

Drittens kommt bei ihr e<strong>in</strong> jeweils zeittypischer Vor­ und Nachspann dazu.<br />

Der Vorspann zuerst: Mit dreizehn Jahren lief sie h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er Kuh, die sich verlaufen<br />

hatte, sprang über e<strong>in</strong>en Bach und brach sich dabei – unbemerkt – den Fuß. Die Ärzte<br />

tippten auf Plattfuß und behandelten sie danach. Röntgenaufnahmen wurden weder<br />

im Lutherkrankenhaus <strong>in</strong> Hermannstadt noch bei Leonhard & Müller <strong>in</strong> Schäßburg<br />

gemacht. Es wird wohl fünf Jahre später gewesen se<strong>in</strong>, als e<strong>in</strong> Spieß2 der deutschen<br />

Wehrmacht, bei ihnen e<strong>in</strong>quartiert, den Stabsarzt brachte und dieser anhand e<strong>in</strong>er<br />

Röntgenaufnahme zeigte, dass alle Knochen im Gelenksbereich verschoben waren.<br />

Er ließ e<strong>in</strong>e „Metallplatte“ anfertigen, die ihr als Schuhe<strong>in</strong>lage, wohl aus Alum<strong>in</strong>ium,<br />

damals für alles Mögliche verwendet, das Gehen erträglich machte. – Dies als kle<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die sanitären Verhältnisse jener Jahre und e<strong>in</strong>en Abschnitt aus dem Leben<br />

Anna Albrichs, der zum vollen Verständnis des Folgenden nötig ist.<br />

„Es war noch <strong>in</strong> der Morgendämmerung am Sonntag, den 14. Januar 1945, als getrommelt<br />

wurde.“<br />

Eigentlich wurde nicht getrommelt, der Ausrufer hatte vielmehr e<strong>in</strong> Flügelhorn, <strong>in</strong> das<br />

er gleiche Töne <strong>in</strong> rhythmischer Folge blies, so gut er konnte. Aber <strong>in</strong> alter Zeit wurde<br />

gewiss auch <strong>in</strong> <strong>Roseln</strong> getrommelt, und daher sagte man immer noch: „et word gedrummelt“.<br />

Der rumänische Text des Ausrufers lautete übersetzt etwa:<br />

„Achtung, Achtung! Alle sächsischen Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren und Frauen im<br />

Alter von 18 bis 30 Jahren sollen sofort <strong>in</strong> den Saal gehen. Sie müssen ihr Bulet<strong>in</strong>3 bei sich<br />

1 Dieses Kapitel fußt auf den Berichten von Anna Albrich, Schnallner (* 1924).<br />

2 Stabs­ oder Hauptfeldwebel.<br />

3 Identitätsausweis.

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