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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Zur archetypischen Ebene der Musikwahrnehmung<br />

Mediation und Kreislauf können ebenfalls ikonische Gestalten annehmen, aber<br />

meistens sind sie Bilder eines Prozesses: Spirale, Treppe, Labyrinth usw.<br />

Eine zweite Schicht der Existenz von Archetypen in Kulturen gehört <strong>zur</strong><br />

Ideologie. Es ist klar, dass etliche archetypische Bilder als vorbildlich, mustergültig<br />

und heilig - andere dagegen als niederschmetternd, schrecklich und bedrohlich<br />

erscheinen. Sie können auch spezielle nationale Werte bezeichnen, weil eine<br />

Tradition meistens eine besonders Neigung zu “archaischen” Symbolen hat, selbst<br />

wenn es keinen geschichtlichen Hinweis dafür gibt, dass sie wirklich alt sind. In<br />

diesem Falle ist das mythologische Denken vorherrschend: Jede neue Gesellschaft<br />

wiederholt rituelle Abläufe, als gelte es bedingungslos, die “kosmische” Ordnung in<br />

dieser konkreten Kultur wiederzuerschaffen. Sie tut dies unter Verwendung<br />

derselben archetypischen Ideen, die - immer alt und jung - für jeden erkennbar und<br />

gleichzeitig einmalig und entsetzlich sind.<br />

Archetypen und Musik<br />

Archetypen haben in der Musik wie in allen Gebieten menschlicher Tätigkeit eine<br />

eigene, spezifische Art des Auftretens. Es ist eine übernommene Annahme, Musik<br />

als System Sprache (langue) und die klingende reale Musik als Rede (parole) zu<br />

bezeichnen: Diese Kategorien aus der Linguistik werden von de Saussure (1967)<br />

eingeführt. In der Musik ist uns diese Einstellung von Hoshovsky (1971) bekannt.<br />

Dass die Musik als eine Sprache betrachtet werden kann, wird auch von Wagner in<br />

“Oper und Drama” besprochen (1978, S. 309-319).<br />

Wir teilen die Meinung jener Wissenschaftler, die glauben, dass es ebensoviele<br />

Musiksprachen wie Sprachen im allgemein gibt, dass sich aber die Musiksprachen<br />

auf ganz andere Weise als die semantischen Sprachen gruppieren: Völker, die zu<br />

einer Sprachenfamilie gehören, können eine verschiedene Musik haben und<br />

umgekehrt. Die meisten Musiksprachen haben ein operatives Kategoriensystem,<br />

welches dem System von Mythos und Epos sehr ähnlich ist. “Die Musik ist unser<br />

Mythos des inneren Lebens – ein jugendlicher, lebenskräftiger, bedeutungsvoller<br />

Mythos: von unverbrauchtem Geist beseelt und noch in einem Stadium<br />

`vegetativen´ Wachstums befindlich.” (Langer 1987, S. 240).<br />

In einer unserer Arbeiten (Simonian 1999) haben wir die strukturelle Ähnlichkeit<br />

zwischen einem Mythos des afrikanischen Buli-sa Stammes (siehe R. Schott 1970)<br />

und armenischen Volkstanzliedern aufgezeigt; dabei ist die Struktur dieser Lieder<br />

typisch für viele andere Kulturen.<br />

Unser Ziel ist es nicht, Verschiedenheiten oder Ähnlichkeiten von Strukturen<br />

aufzuzeigen, sondern Prozesse archetypischer Ideen in der Musik zu erhellen. Musik<br />

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