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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Gruppen<strong>musiktherapie</strong> in der stationären Jugendpsychiatrie<br />

Schlägen auf der Trommel spielte. Dies bot die Möglichkeit, sich selbst mit der<br />

momentanen Befindlichkeit spielend und hörend wahrzunehmen aber auch die<br />

Existenz der anderen Gruppenmitglieder akustisch gespiegelt zu bekommen.<br />

Aus diesem immer gleichen Einstiegsritual ergab sich dann das jeweilige<br />

Programm der Stunde; sehr grossen Anklang fanden immer wieder diverseste<br />

Rhythmusspiele (das Bedürfnis bzw. grosse Suchen nach Struktur und eigener<br />

Strukturierung, nach Halt und Orientierung, nach Ausbalancieren der Grenzen wird<br />

hier u.a. deutlich), meist gefolgt von einer rezeptiven Phase, wo jeder und jede<br />

Jugendliche sich seinen geschützten Platz auf einer Decke suchte und ich für die<br />

Gruppe Klänge (meist Monochordklänge) spielte. Diese Phase der Ruhe und<br />

Entspannung, das Sich-<strong>zur</strong>ückziehen-Dürfen auf einen eigenen, abgegrenzten und<br />

geschützten Raum wurde von den Jugendlichen selbst oftmals als Bedürfnis<br />

formuliert.<br />

Kommentar: Das musikalische Aushandeln von Rhythmus in der Improvisation in<br />

einer schützenden Spielregel, die nicht musikpädagogisch als Spielaufgabe<br />

Orff’scher Prägung, sondern psychotherapeutisch als „holding-environment“<br />

(Winnicott, 1984) verstanden wurde, ermöglichte den Jugendlichen überhaupt erst,<br />

sich niederzulassen und es mit den anderen Jugendlichen gemeinsam in einem<br />

Raum auszuhalten, den eigenen „Safe Place“ (Katz-Bernstein, 1996) zu finden, jene<br />

elementarste Grundlage, auf der Introspektion und Selbsterleben und somit<br />

psychotherapeutische Prozesse erst beginnen können. Musik ist hier das Medium,<br />

das überhaupt ermöglichte, mit diesen Jugendlichen ein Arbeitsbündnis herzustellen<br />

und ihnen half, als Gruppe zusammenzufinden. Dieses wurde sozusagen in der<br />

Musik hörbar. Das musikalische Geschehen diente oftmals als zentraler Katalysator<br />

für Gewalt. Dies zeigt das nächste Beispiel.<br />

Vignette 2<br />

In der hier beschriebenen Stunde verlief alles anders. Ich möchte sie mit<br />

Schwerpunkt auf einen 18-jährigen Jugendlichen beschreiben; er kommt aus<br />

Bosnien und es war für uns fraglich, inwieweit er die traumatischen Kriegsereignisse<br />

als direkt Betroffener miterlebt hatte. Er konnte darüber nicht sprechen, aber aus<br />

seinem Erleben und Dasein in der Musiktherapiegruppe, aus seiner<br />

Gewaltbereitschaft und auch schon ausgeübter tätlicher Gewalt, seinen<br />

psychosenahen Ängsten etc. zu schliessen, lag dies nahe. In vorangegangenen<br />

Musiktherapiestunden z.B. verliess er, der oft mit einem starren, lauten,<br />

militärischen (!) Rhythmus das musikalische Geschehen dominierte, dabei aber die<br />

Nähe zu den Gruppenmitgliedern (räumlich, akustisch bezüglich der emotionalen<br />

Intensität in der Musik) selbst nicht aushielt, vorzeitig den Raum. In diese Stunde<br />

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