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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Musik im Traum<br />

zugleich. Sie fasst Himmel und Erde zusammen und durchklingt den Baum. Unter<br />

uns das Kirchenschiff ist nicht Stein, sondern Ackerboden und sieht aus wie wartendes,<br />

duftendes, braunes Erdreich im Frühjahr. Es ist, als nähme dieses Erdreich<br />

den Strom der himmlischen Klangfülle tief in sich auf, um ihn in der Vielfalt der<br />

Blüten und Früchte später wieder verwandelt aus sich zu entlassen.“<br />

Dieser Traum vom Baum des Lebens, der engstens verbunden ist mit der Himmel<br />

und Erde und alle Wurzelgründe gleichermassen umfangenden Musik, lässt<br />

nicht allein an den Baum der Sephiroth denken. Er erinnert zugleich auch an das<br />

soeben zitierte Wort des Hl. Hieronymus vom Logos des Urbeginns als dem<br />

„Summus Musicus“, der die ganze Musik in sich zusammenfasst und all ihre Höhen<br />

und Tiefen harmonikal miteinander vereint. Dieses Traumbild erschloss der Frau<br />

nicht allein eine vertieftere Schau der Zusammengehörigkeit von Geist und Materie,<br />

von Oben und Unten, von Verstand und Gefühl und von Himmel und Erde. Es<br />

inspirierte sie zugleich auch in ihrem religiösen Anliegen und in ihrer beruflichen<br />

Arbeit, was sich in der Folge als sehr fruchtbringend und bereichernd erwies (s.<br />

Streich, 1973).<br />

1a. Traum vom „Singenden Pferd“<br />

Einige Zeit später machte ein weiterer Musiktraum diese Frau darauf aufmerksam,<br />

dass nun die Zeit gekommen sei, einen wichtigen Anteil ihrer Instinkt- und<br />

Antriebskraft aus dem Schattenbereich des Unbewussten heraufzuholen und dem<br />

bewussten Ich einzugliedern. In dem musikalischen Bilde eines singenden Pferdes,<br />

das es aus der Tiefe zu befreien gilt, macht der Traum aufmerksam auf kostbare<br />

Lebens- und Antriebs-Energien, die ihrer Entwicklung harren. Einige Zeit vor diesem<br />

Traum hatte die Frau durch mehrere Sterbefälle beide Eltern, dazu den einzigen<br />

Bruder und eine gute alte Freundin verloren. Die begreifliche Trauer über die herben<br />

Verluste ging Hand in Hand mit starker beruflicher und familiärer Überbeanspruchung.<br />

Dadurch drohte ihr ein Kräfteverlust, der unbedingt behoben werden<br />

musste, und sie träumte folgendes:<br />

„Ich stehe an einer Brunnenanlage aus früherer Zeit und höre in der Tiefe ein<br />

Singen und Tönen von ergreifender Kraft und Schönheit. Jemand sagt: „Steige hinunter<br />

und befreie dein Pferd“.<br />

Sie erwachte kurz und mit dem intensiven Wunsch, an dieses Tönen heranzukommen.<br />

Dann träumte sie in halbwachem Zustand weiter. In den Aufzeichnungen<br />

hierzu heisst es: „Ich sah einen Brunnen aus den Urtagen der Welt. Der war tief wie<br />

das Leid der Kreaturen und dunkel wie die Trauer der Menschenkinder nach grossen<br />

Verlusten. Seinen Grund konnte ich nicht erkennen. Doch sah ich es wohl, sei-<br />

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