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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Primärprozess und Sekundärprozess in musiktherapeutischer Transformation<br />

Im Weiteren soll es um solche neuen Verknüpfungen primärprozeßhaften<br />

Geschehens mit der Realität, bezogen auf das Geschehen musiktherapeutischer<br />

Improvisation und Intervention, gehen. Die letzteren ermöglichen ein Oszillieren<br />

zwischen Primärprozeß und Sekundärprozeß, auch bei Patienten mit „strukturellen<br />

Ichstörungen (Fürstenau, 1997), also mit psychogenetisch frühen Störungen aus der<br />

präverbalen Zeit vor Abschluß der Individuations- und Separationsphase (Mahler et<br />

al. 1975). Janssen zählt hierzu klinische Syndrome wie Borderline, Psychose,<br />

Psychosomatose, auch einige neurotische Symptome wie hysterische Lähmungen<br />

oder Zwänge. ... auch intellektuell retardierte Personen mit sprachlichen<br />

Beeinträchtigungen (sind) hier dazuzuzählen“ (Oberegelsbacher, 1997, S. 48).<br />

Für Menschen, die von psychischer Desintegration und Kontrollverlust bedroht<br />

sind und daher einen Mangel an Trennschärfe zwischen Primär- und<br />

Sekundärprozeß aufweisen, also unfähig sind, inkompatible Inhalte zu verdrängen,<br />

besteht die ständige Gefahr der Überschwemmung mit primärprozeßhaften<br />

Inhalten. Hier gilt es, besondere Vorsicht bei der Interpretation und Deutung aller –<br />

auch musikalischer - Mitteilungen, walten zu lassen, um zu verhindern, daß<br />

primärprozeßhaftes Geschehen weiter angeregt wird. Bei Menschen in solcher<br />

Bedrängnis sind die Verbesserung und der Aufbau des Realitätsbezuges sowie der<br />

Aufbau von Objektbeziehungen oberstes Ziel.<br />

Ein Beispiel: Vier Hände gegen die Angst<br />

Frau S., eine paranoid psychotische Frau kommt in ihre 3. Musiktherapiestunde.<br />

Angespannt setzt sie sich, schaut unruhig im Raum herum, beginnt, von für sie<br />

beängstigenden Ereignissen zu sprechen – den Amerikanern, ihren Vorbildern, den<br />

Österreichern, die nicht verstehen würden, daß sie sich vielmehr anstrengen<br />

müßten, um es ihnen, den Amerikanern gleich zu tun und die dadurch vom<br />

Untergang bedroht seien. Sie wird beim Reden immer aufgeregter, angespannter,<br />

ängstlicher.<br />

Meine Intervention: Ich spreche ihren immensen Druck und ihre Bedrängnis an,<br />

die Anstrengung ihrer Anspannung und frage sie ob und welche Musik, welches<br />

Spiel jetzt hilfreich sein könnte. Sie fragt nach einer Leier – wir nehmen beide ein<br />

Instrument in die Hand, Frau S. hält sie fest mit beiden Händen, spielt aber nicht –<br />

ich beginne ein Spiel: vorsichtig in der Lautstärke, ruhig im Tempo, einfach im<br />

Rhythmus, klar ein paar wenige Motive. Frau S. beginnt sich langsam zu<br />

entspannen, lehnt sich <strong>zur</strong>ück, hält die Leier aber nach wie vor fest und hört mir zu<br />

bis sie anfängt zu weinen. Danach erzählt sie von ungerechten Situationen im<br />

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