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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Anklang finden – emotionale Resonanz als psychotherapeutisches Grundprinzip<br />

zugelassen werden kann. (Wobei es das Umgekehrte auch gibt, ein abgestimmter<br />

und adäquater Körperkontakt überhaupt erst die Ebene des Vertrauens, des Halts<br />

und der Sicherheit vermittelt, die nötig sind, und sich z.B. auf Musik wirklich<br />

einzulassen). Dies kann einen Weg dahin bahnen, dass der eigene Körper erst<br />

einmal in seiner Existenz gespürt und zugelassen werden darf.<br />

Fallvignette<br />

Das Beispiel stammt aus der Anfangsphase einer Einzel<strong>musiktherapie</strong> mit einem<br />

14-jährigen anorektischen Mädchen auf der geschlossenen Station der<br />

Kinderpsychiatrie. Sie war trotz Medikation sehr depressiv und immer wieder völlig<br />

apathisch und unansprechbar. Der Kontakt zu ihr brach immer wieder ab. Sie war<br />

wie nicht da. Sie verstummte. Ich hatte unsere Therapiezeiten - anfangs dreimal,<br />

später einmal wöchentlich - in den für sie obligaten Liegezeiten nach dem Essen<br />

eingerichtet. Da sie die Station aufgrund ihrer Suizidalität nicht verlassen durfte,<br />

hatte ich keine Instrumente <strong>zur</strong> Verfügung. Sie wünschte sich, dass ich ein<br />

Metallophon aus dem Musiktherapieraum mitbrächte. Auf diesem Metallophon<br />

sollte ich immer wieder für sie spielen und darauf fanden auch unsere ersten und<br />

lange einzigen „Gespräche“ statt: 3 Töne sie, drei Töne ich, immer wieder dieses<br />

Spiel, für etwas anderes war sie nicht zu bewegen.<br />

Analogien zu frühen Abstimmungsprozessen zwischen Mutter und Säugling: Das Spiel ist<br />

einfach, elementar, es passiert darin musikalisch ganz wenig. Doch gerade in diesem<br />

einfachen „Muster“ finden der Säugling (wie auch die Patientin) die Ruhe und den<br />

Raum zum Reagieren und zum Wahrnehmen ihrer Eigenimpulse, die sie brauchen<br />

(bzw. nicht gehabt haben); die Wiederholung gibt Sicherheit und schafft Vertrauen.<br />

„Warum gerade das Metallophon?“, habe ich sie viel später einmal gefragt. Sie<br />

erzählte eine Geschichte: Die Kindergärtnerin (die sie sehr mochte) hatte einmal in<br />

der Woche eine Geschichte vorgelesen, danach durften die Kinder die Augen<br />

schliessen „und dann hat sie auf diesem Ding gespielt“ (Zitat); eine Anknüpfung an<br />

einen immer wieder erfahrenen Halt und an ein Gemeint-Sein?<br />

Dieses Mädchen hatte jedes Mal nach dem Essen furchtbare Bauchschmerzen.<br />

Ich konnte unter meinen Händen spüren, wie sehr ihr Bauch verkrampft war und<br />

konnte mir vorstellen, wie weh ihr das tun musste. Sie liess es zu und genoss es, dass<br />

ich meine Hand, wenn sie auf dem Rücken lag, auf ihren Bauch legte. Während ich<br />

dies tat, summte ich in ihrem Atemrhythmus, ich atmete summend quasi mit ihr<br />

mit. Gleichzeitig liess ich den Druck meiner Hand ganz sacht und liebevoll mit<br />

ihrem Atem pulsieren. Sie, die nie Blickkontakt zu mir aufnahm oder über Monate<br />

den Kopf immer <strong>zur</strong> Seite hielt, sah mich in diesen Augenblicken an. Es waren dies<br />

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