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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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REGINA HALMER-STEIN<br />

Maria hatte in diesem Sinne sicherlich Verlust-Erfahrungen gemacht, da in der<br />

16. Schwangerschaftswoche der Blasensprung erfolgte und sie ihrer resonierenden<br />

Umgebung beraubt wurde. Wir können vermuten, daß ihre Erfahrungen weniger<br />

polyphon verliefen. In all der rhythmischen und harmonischen Diskrepanz sind<br />

somit neben dem Ausdruck für ihre Lebenssituation auch das Bedürfnis nach der<br />

rhythmischen Komplexität intrauteriner Erfahrungen spürbar. Das bedeutet, es<br />

ging auch um das Wiederfinden des fetalen Lebens.<br />

Musik ermöglicht es unterschiedliche, gleichzeitig ablaufende Affekte und<br />

Erfahrungen, wie z.B. komplexe intrauterine Erfahrungen, in eine Form zu bringen,<br />

welche die Verbindungen zwischen innen und außen, früher und jetzt, Wunsch und<br />

Realität herzustellen vermag.<br />

Im Wechselspiel zwischen Marias Anforderungen nach Stimmigkeit und<br />

Sinnhaftigkeit und meinen musikalischen und verbalen Ausdrucksangeboten,<br />

Widerspiegelungen und sinngebenden Antworten wurde Maria eine differenziertere<br />

Selbst- und Objektwahrnehmung ermöglicht.<br />

Wenn ein so schwer behindertes Kind erfahren kann, daß sein Ausdruck<br />

sinngebend - und zwar sowohl musikalisch, als auch verbal - erfaßt und bearbeitet<br />

wird, daß Raum entstehen kann zwischen dem realen und dem symbolischen<br />

Körper, daß es auf der Suche nach weiteren Genußobjekten unterstützt wird, und<br />

daß stereotype Verhaltensweisen nicht mehr eine unverzichtbar erscheinende<br />

Bedeutung haben, dann kann es sich aus seiner Eingesponnenheit herauszuwagen.<br />

Das Leben darf Raum gewinnen und Sinnlosigkeit und Tod verlieren ihre<br />

Übermacht.<br />

Schlußbetrachtungen<br />

Nach etwa 60 Therapiestunden über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren<br />

konnte Maria eine 50 Minuten dauernde Therapiestunde aushalten ohne sich<br />

wirklich fest zu schlagen. Sie trat in direkte Kommunikation mit mir am Klavier -<br />

für eine Improvisation von etwa sieben bis acht Minuten - und es konnte ein sehr<br />

lustbetontes Spiel entstehen, bei dem ich versuchte ihre das Gesicht verhüllende<br />

Kapuze <strong>zur</strong>ückzuschieben und sie diese sofort lachend und meckernd wieder über<br />

ihr Gesicht zog. In dieser Stunde begann sie auch sehr, sehr vorsichtig und scheu<br />

ihrer Stimme Klang zu verleihen.<br />

Die Therapie mit Maria ist nicht beendet und ich bin gespannt, wie sich unser<br />

weiterer Weg gestalten wird. Die vorangehend beschriebene Therapiestunde zeigt<br />

jedoch deutlich, daß Maria sich immer mehr dem Leben zuwendet. Sie setzt das<br />

Trommel- oder auch Klavierspiel häufig als Ersatz für selbstverletzendes Verhalten<br />

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