29.05.2014 Aufrufe

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

BARBARA GINDL<br />

nun kam er, mit Verspätung, Walkman hörend und dazu singend in die Gruppe. Er<br />

erweckte den Eindruck, sich in seiner Musik <strong>zur</strong>ückziehen zu wollen und nahm von<br />

den Gruppenmitgliedern, die bereits trommelten, überhaupt keine Notiz. Von mir<br />

darauf angesprochen, entfernte er, mehr widerwillig, die Kopfhörer aus seinen<br />

Ohren und sagte, er könne die Gruppe nicht aushalten und wolle viel lieber allein zu<br />

seiner Musik (Musik der Gruppe Metallica) Gitarre spielen. Die restlichen<br />

Gruppenmitglieder wollten aber weiterhin trommeln. Ich schlug ihm und der<br />

Gruppe vor, beides zu versuchen und erlaubte ihm, zu seiner Musik Gitarre zu<br />

spielen, diese aber in der Hifi-Anlage und somit für alle hörbar und nicht isoliert in<br />

seinem Walkman abzuspielen. Dies tat er, stellte die Musik an und sass mit seiner<br />

Gitarre mit abgewandtem Rücken in der hintersten Ecke des Therapieraumes. Wir<br />

Restlichen trommelten inzwischen weiter; das Ganze klang wie ein ziemlich schizoid<br />

anmutendes Nebeneinander. Was dann geschah war sehr interessant. Der Junge<br />

begann nämlich, nachdem er einige Zeit ganz für sich Gitarre gespielt hatte und sich<br />

vom Getrommel der anderen nicht stören liess musikalisch klar umrissene Impulse,<br />

die unseren Rhythmus aufzunehmen schienen, zu spielen. Ich beantwortete dieses<br />

vorsichtige Kontaktangebot mit meinem Trommeln und mit der Zeit nahm die<br />

Gruppe unseren musikalischen Dialog wahr und spielte ebenfalls mit. Immer noch<br />

sassen wir mit dem Rücken zu ihm und die Geräuschkulisse der Heavy-Metal-<br />

Musik dröhnte. Dies ging eine lange Zeit so, bis er die Musik abstellte, sich mit<br />

seiner Gitarre zu uns in den Kreis setzte und mitspielte.<br />

Wie vermittelte Musik hier psychotherapeutische Prozesse?<br />

In dieser Stunde ist etwas für den Patienten Ungewohntes entstanden: er, der<br />

kaum in einer Gruppe tragbar war und den die zu grosse (räumliche) Nähe zu<br />

Menschen gewalttätig werden liess, der sich anfangs hinter seinem Walkman<br />

versteckte, liess „seine“ Musik hörbar werden, spielt mit der Gitarre dazu und es<br />

gelang ihm damit eine Kommunikation, die von den anderen beantwortet wurde.<br />

Hier vermittelte das Medium Musik diesem Patienten eine hinreichend gute Nähe-<br />

Distanz-Regulierung. Verunmöglichte ihm seine Psychosenähe aufgrund der Angst<br />

vor der Auflösung seiner Ich-Grenzen ein nahes Zusammensein mit anderen<br />

Menschen, so ermöglichte ihm das musiktherapeutische Angebot, gleichzeitig sowohl<br />

eigenen Raum und Abgrenzung (er mit der Stereoanlage und der Gitarre mit dem<br />

Rücken <strong>zur</strong> Trommelgruppe) als auch Nähe <strong>zur</strong> Gruppe (in der vorsichtigen<br />

musikalisch vermittelten Kommunikation) zu erleben. Seine Isolation und<br />

Entfremdung wurde so in einen sozialen Integrationsprozess überführt.<br />

Vorzugsweise durch das musikalische, d.h. praeverbale Eingebunden-Sein der<br />

230

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!