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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Die Macht der Musik<br />

Verzweiflung kann er in einer späteren Übung („Ich und meine Sucht“) gut thematisieren.<br />

Er verwendet eine Conga und eine tibetanische Schelle, die er abwechselnd<br />

spielt. Die Intervalle werden immer kürzer und lauter. Die Trommel steht für den<br />

inneren und äußeren Druck, die Schelle für Alkohol, wobei die Exzesse immer<br />

schwerer und häufiger wurden. Im weiteren Prozess wird er sich darüber klar, dass<br />

er mehr auf sich und seine Bedürfnisse achten muss und nicht nur danach trachten<br />

soll, sich möglichst optimal an die Bedürfnisse anderer anzupassen. Im Übungsfeld<br />

der musikalischen Improvisation gelingt es ihm, sich gegenüber dem schon erwähnten<br />

sehr dominanten Herrn F. durchzusetzen. Als dieser in einer spontan entstandenen<br />

Rhythmusimprovisation mit seinem schon bekannten finalen Paukenschlag ein<br />

Ende machen möchte – gerade als das Spiel sehr lustvoll ist und vielen offensichtlich<br />

Spaß macht – spielt Herr G. weiter und kann zumindest einige gewinnen, es mit<br />

ihm gleichzutun. Die Rivalität zwischen diesen beiden Männern kann dann offen<br />

diskutiert werden und sie finden einen Kompromiss: „Jeder soll einmal den Ton<br />

angeben“.<br />

6. Ängste, Unsicherheit und Entsetzen über sich selbst<br />

Frau H., 42 Jahre, Opfer sexuellen Missbrauchs und erfüllt von Gewalterfahrungen<br />

in der Kindheit, war mit einem um 20 Jahre älteren Mann verheiratet, der ebenfalls<br />

gewalttätig war und vor neun Jahren verstorben ist. Sie betrachtet die Therapie<br />

als eine Übergangszeit, ohne konkrete Zukunftsperspektiven zu haben. Sie möchte<br />

zuerst einmal alkoholabstinent werden, um dann für neue Entwicklungen frei zu<br />

sein. Ihr wichtigstes Ziel für den stationären Aufenthalt ist, sich in ihrer Alkoholkrankheit<br />

besser zu verstehen. Ein erster entscheidender Moment ist für sie schon<br />

die anfängliche Vorstellung, in welcher sie die Ocean-Drum verwendet. Es ist ein<br />

langes, wellenhaftes, aufwallenden und abebbendes Rauschen. Durch die Assoziationen<br />

der anderen wird ihr deutlich, wie sie Alkohol als Fluchtmittel eingesetzt hat,<br />

um „abtauchen“ zu können. Gleichzeitig ist sie den Kräften der Strömung wehrlos<br />

ausgesetzt und droht, in den Gewalten des Meeres zu ertrinken: „Ich verschwinde<br />

unter der Oberfläche, sinke in die Tiefe, ich werden von einer Alkoholwelle überschwappt,<br />

von einem ganzen Hektoliter, ich kann nicht entkommen, ich werde immer<br />

wieder <strong>zur</strong>ückgezogen“. In der Folge spürt sie, wie sie dadurch gelähmt war,<br />

dass sie noch nie mit jemanden darüber gesprochen hat, dass sie von ihrem Gatten<br />

misshandelt wurde und wie es Erleichterung schafft, dies auch jetzt noch – neun<br />

Jahre nach dessen Tod – zu tun. Eine zweite entscheidende Situation, die ihr geholfen<br />

hat, sich ganzheitlich besser zu verstehen, war die Übung „gespielter Rausch“.<br />

Während die meisten Gruppenteilnehmerinnen und –teilnehmer sich zu einer ekstatisch-exzessiven<br />

Klimax aufschaukelten und dies sehr lustvoll erlebten, war Frau H.<br />

ganz verstört und erschüttert. Sie war erschreckt, da sie die Atmosphäre als sehr<br />

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