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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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REGINA HALMER-STEIN<br />

Verzweiflung, des Sich-Aufbäumens, akzeptierte sie unsere räumliche Trennung und<br />

die Dritte, nämlich die Gitarre, konnte eingebunden werden: Am Ende der Stunde<br />

lag Maria relativ zufrieden alleine, zusammengerollt in der Hängematte, getragen<br />

von der symbolischen Symbiose durch die Musik. Nun war es wieder stimmig.<br />

Das Ersetzen der körperlichen, realen Nähe durch die symbolische Nähe der<br />

Musik war wohl ein erster Schritt vom Agieren zum Symbolisieren.<br />

Die musikalische Symbolisierung ermöglicht, daß ein Teil von einem selbst wie<br />

durch einen Puffer betrachtet werden kann. Es tritt somit ein beteiligtes Drittes<br />

hinzu, das die Funktion eines Übergangsobjektes übernehmen kann. Die<br />

symbolische Ablösung eines Teils vom bloßen Körper konnte stattfinden.<br />

Sinnhaftigkeit<br />

Die intensive Beschäftigung mit Maria löste in mir immer wieder die Frage nach<br />

der Motivation leben zu wollen aus. Maria schien sich mit ihrem Rückzug und ihren<br />

Selbstdestruktionen mehr dem Nicht-Leben-Wollen, als dem lebensbejahenden<br />

Anteil in ihr zugewandt zu haben. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen Marias<br />

enormem Überlebenswillen einerseits und ihren massiven Selbstzerstörungstendenzen<br />

andererseits warfen in mir viele Fragen auf. Maria wurde nach einer schwierigen<br />

Schwangerschaft mit einem Blasensprung in der 16. Schwangerschaftswoche<br />

schließlich in der 31. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt auf die Welt geholt:<br />

Sollte dieser defizitäre Körper entfernt werden, da er als solcher nicht akzeptabel<br />

ist? Geht die Aggression gegen den Körper auf autoerotische Gefühle <strong>zur</strong>ück, die<br />

durch Endorphinausschüttung unterstützt werden? Oder sind die Aggressionen<br />

gegen den eigenen Körper Ausdruck von Abwehr des vernachlässigten geistigsymbolischen<br />

Selbst? Wofür steht ihr Kampfeswille? Welche Bedeutung kommt<br />

Marias Mutter zu, die auch seit der 16. Schwangerschaftswoche für ihr Überleben<br />

kämpfte? Was bedeutet es für Maria, nie das erhoffte, sogar erträumte Kind zu sein<br />

- nie (mit Kohut) der „Glanz in den Augen der eigenen Mutter“ sein zu können?<br />

Der weitere Therapieverlauf wurde durch Kämpfe charakterisiert. Maria<br />

bestimmte, kontrollierte und prüfte mein Tun. Sie reagierte verzweifelt und war<br />

außer sich, wenn ich ihre Bedürfnisse nicht sofort erspüren und umsetzen konnte,<br />

wenn die Stimmigkeit sich nicht sofort einstellte. Sie forderte weiterhin von mir, die<br />

Illusion zu erschaffen, daß die Welt so sei, wie ihre biologisch-instinktiv angelegten<br />

Muster es erwarten mochten. Das daraus resultierende Gefühl von Stimmigkeit, von<br />

Sinnhaftigkeit und Aufgehobenheit in dieser Welt mußten auf jeden Fall und in<br />

jeder Situation <strong>zur</strong> Verfügung sein.<br />

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