wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag
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DOROTHEE STORZ<br />
stimmlich oder instrumental umgesetzt wurden. Erst wenn es wieder möglich wird,<br />
Gefühlsqualitäten wie Wut, Schmerz, Neid und Haß im Spiel anderen zuordnen zu<br />
können, und sie so allmählich in die bewußte Vorstellungswelt zu integrieren, kann<br />
gewagt werden, diese Gefühle auch bei sich selbst zu suchen und zunehmend<br />
zuzulassen.<br />
Ein weiterer Schritt ist das Verstehen dieser schwierigen und schwer aushaltbaren<br />
Gefühle, was wiederum nur möglich ist, wenn sie zugelassen werden - mit anderen<br />
Worten: wenn es möglich ist, sie sich zu erlauben.<br />
Gerade dafür ist es notwendig, Ausdrucksmöglichkeiten jeder Art zu finden, um<br />
Gefühlen – auch wenn sie noch kein Wort gefunden haben – trotzdem ein Ventil zu<br />
geben und darüberhinaus ein Forum, das es möglich macht, diesen Gefühlsausdruck<br />
zu gestalten. Das bedeutet weiterhin, daß es gelingen kann, beispielsweise in einem<br />
musikalischen Spiel oder einer Improvisation selbst die Kontrolle über das eigene<br />
gefühlsgeleitete Handeln zu haben, weil Form, Lautstärke, Dynamik, Rhythmus und<br />
anderes mehr mitzubestimmen die Aufgabe ist.<br />
In unseren Stunden waren das Übungen wie: Jeder sagt was er mag, was er nicht<br />
mag; das pantomimische und stimmliche Spiel mit dem Lieblingstier und die<br />
Phantasie ob es wild, gefährlich oder sanft und gutmütig ist (das Lieblingstier also als<br />
Projektonsmöglichkeit) oder eine Rhythmus-Improvisation zum Thema „angenehme<br />
Situationen (Gefühle) – unangenehme Situationen (Gefühle)“ oder stimmliche<br />
Improvisationen zum Thema Konflikte zwischen den Nachbarn, zwischen zwei<br />
Dörfern, oder kleine Szenen aus Märchen und anderen Geschichten.<br />
Da nun Gefühle, die schwer zu ertragen sind, häufig entsprechenderweise schwer<br />
zu benennen sind, war es von Anfang an wichtig, Einladung und Aufforderung zu<br />
wortsprachlicher Benennung der unterschiedlichsten Ereignisse in jeder Stunde<br />
miteinzubeziehn. So wie zu Beginn der Stunde jeder nach Vorliebe und Abneigung<br />
gefragt war (als kleines Anfangsritual), so hatte das Abschlußgespräch nicht nur die<br />
Funktion, die Ereignisse der Stunde zusammenzufassen, sondern explizit auch die<br />
Funktion, sie wortsprachlich zu fassen und als Beispiel der Verbalisierung zu gelten.<br />
Und natürlich wurden auch die einzelnen Spiele und Improvisationen, wie bereits<br />
angedeutet, verbal aufgearbeitet.<br />
6. Zwischenmenschliche Beziehungen<br />
„Traumatische Ereignisse erschüttern zwischenmenschliche Beziehungen,<br />
Bindungen an Freunde und zerstören das Selbstbild, das im Verhältnis zu anderen<br />
entsteht und aufrechterhalten wird“ (Herman, 1993, S. 77). Auch vor diesem<br />
Hintergrund war das Gruppensetting von zentraler Bedeutung. Denn die<br />
Wiederanknüpfung sozialer Bindungen beginnt mit der Entdeckung, daß man nicht<br />
allein ist. Musikalisch hatten z.B. das gemeinsame Singen von Liedern oder<br />
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