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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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ULRIKE HAFFA-SCHMIDT<br />

Während meiner Musiktherapieausbildung in Wien hatte ich Gelegenheit, viele<br />

Lieder zu Krisen, lebensbedrohlichen Situationen und zum Tod kennenzulernen (als<br />

Beispiel seien hier „Oh du lieber Augustin“, „Es lebe der Zentralfriedhof“,<br />

„Nestroys Komet“ genannt). Schon damals wunderte ich mich, mit welchem<br />

Zynismus, aber auch mit welcher Unverkrampftheit in Wien mit diesem Thema<br />

umgegangen wird.<br />

In gewisser Weise kann diese enttabuisierende Haltung durch Musiktherapie<br />

unterstützt werden. Doch weniger mit dem Tod und dem Sterben möchte ich mich<br />

in meinem Vortrag auseinandersetzten, vielmehr möchte ich Sie mit Musiktherapie<br />

im onkologischen Akutkrankenhaus bekanntmachen und Ihnen Menschen<br />

vorstellen, die ich während der Behandlung ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung<br />

musiktherapeutisch begleite.<br />

Zwei kurze Therapieausschnitte<br />

Auf Frau Maier 2 , eine 63-jährige Lehrerin, werde ich von der Stationsärztin<br />

angesprochen. Sie habe eine sehr schlechte Prognose: Ein abgegrenzter Tumor sei<br />

ihr von der Lunge operativ entfernt worden und habe bereits nach drei Monaten die<br />

alte Größe wieder erreicht. Es gehe ihr körperlich sehr schlecht; sie habe bis vor<br />

kurzem Sauerstoff gebraucht und werde hier jetzt palliativ versorgt. Es ginge ihr<br />

psychisch dementsprechend schlecht. Sie würde zwar in einigen Tagen nach Hause<br />

gehen, müsse aber <strong>zur</strong> Chemotherapie öfters in die Klinik kommen.<br />

Ich gehe in ihr Zimmer und stelle mich und die Musiktherapie vor. Frau Maier<br />

wirkt sehr interessiert und wir vereinbaren einen Termin. Sie probiert in meinem<br />

Musiktherapieraum eher „brav“ die Instrumente aus, versucht kleine Melodien und<br />

sagt dann, daß sie eigentlich keine Lust habe zu spielen. Ob es nicht möglich sei, ihr<br />

etwas auf dem Klavier vorspielen? Ich melde ihr <strong>zur</strong>ück, daß ich es gut fände, wenn<br />

sie sich nicht zum Spielen zwinge, daß ich aber gerne auf dem Monochord für sie<br />

spielen möchte. Ich beginne mit einer kurzen Körperwahrnehmungsübung und<br />

spiele dann ungefähr zehn Minuten. Schon während meines Spieles scheint sie tiefer<br />

in den Sessel einzusinken, einige lautere Seufzer zeigen mir ihre Entspannung. “Ich<br />

hätte Ihnen noch ewig zuhören können. Das war sehr schön“, sagt sie mir, nachdem<br />

sie die Augen wieder geöffnet hat. In der nächsten Therapiestunde möchte sie selber<br />

spielen. Sie wählt sich dazu die pentatonische Leier, ich begleite auf der Kalimba.<br />

Ihre leisen Töne und die improvisierten kurzen, zarten Melodien verstehe ich so, als<br />

2 Alle Namen der Patienten sind geändert<br />

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