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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Das Kriegstrauma und die Notwendigkeit des Ausdrucks<br />

Erkenntnis der ‚Universalität‘ eine besonders nachhaltige Wirkung. Und da<br />

traumatisierte Menschen sich durch ihre Erfahrung so entfremdet vorkommen,<br />

nimmt die Gruppentherapie im Genesungsprozeß einen ganz speziellen Platz ein.<br />

Für Kinder, die aufgrund noch nicht oder zu wenig entwickelter Schutz- und<br />

Streßbewältigungs-Strategien ganz besonders betroffen sind, ist dies von enormer<br />

Bedeutung. Den meisten Kindern tut es gut, zu hören, daß andere Kinder die<br />

gleichen Reaktionen, Sorgen, Ängste und Phantasien haben. Dies vermittelt dem<br />

Kind zumindest das Gefühl, „normal“ zu sein, wie die anderen zu sein, nicht allein zu<br />

sein. Wenn es dann schließlich möglich ist, über sein traumatisches Erlebnis zu<br />

sprechen, es vor einem Zuhörer in Worte zu fassen, dann kann so etwas wie ein<br />

chronologischer Überblick über das Geschehene entstehen. Das wiederum kann eine<br />

kognitive Struktur schaffen und das innere Chaos ein wenig ordnen und dadurch<br />

kann es dem traumatisierten Kind auch wieder möglich werden, das Gefühl zu<br />

entwickeln, das Problem wieder unter Kontrolle zu haben. Nun stellt aber gerade das<br />

häufig eine ganz große Schwierigkeit dar. Ich möchte hier noch einmal Amery – im<br />

Zusammenhang der schmerzlichen Gefühle im KZ - anführen, der schreibt:<br />

„Gefühlsqualitäten sind so unvergleichbar wie unbeschreibbar. Sie markieren die<br />

Grenze sprachlichen Mitteilungsvermögens“ (Amery 1966, S. 63). Gerade diese<br />

Schwierigkeit weist ja den Weg zu einer Therapieform, deren primäres<br />

Ausdrucksmittel der Wortsprache nicht unbedingt bedarf. Da das Benennen und die<br />

tiefere Auseinandersetzung mit den traumatischen Erfahrungen viel Zeit braucht,<br />

darf damit natürlich nicht begonnen werden. Zuerst muß der schon erwähnte sichere<br />

und vertrauensvolle Rahmen gegeben sein. Auch wenn heftige Gefühle aufwallen<br />

können, sollte doch in dieser ersten Phase niemand dazu ermuntert werden, starke<br />

Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Um das einigermaßen gewährleisten zu können,<br />

ist in einer solchen Gruppe ein direktiver Leitungsstil notwendig, in der Art wie das<br />

auch von anderen psychotherapeutischen Gruppen bekannt ist, deren oberstes Ziel<br />

die Herstellung elementarer Sicherheit ist.<br />

Erst wenn es möglich ist, sich über belanglose und alltägliche Dinge<br />

auszutauschen, und darüberhinaus Symptome, Probleme, Belastungen<br />

unterschiedlichster Art auch gezeigt werden können, dürfen Schritte in die<br />

Vergangenheit gewagt werden. Die Gruppenteilnehmer müssen hier aber schon so<br />

stabil sein, daß die schrecklichen Erinnerungen aushaltbar und verkraftbar und das<br />

damit verbundene notwendige Trauern überhaupt möglich ist. Danach kann versucht<br />

werden, sich dem traumatischen Erlebnis zu nähern, es in und vor der Gruppe in<br />

irgendeiner Weise zum Ausdruck, zum Klingen zu bringen, um es dann anschließend<br />

in Worte fassen zu können. Das kann sehr schwierig und schmerzlich sein. Umso<br />

wichtiger ist es dann, daß die Gruppe der Zuhörenden aufnehmend, ihr Hörerlebnis<br />

beschreibend und die Gefühle benennend und auch tröstend bereit stehen kann.<br />

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