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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Zur Arbeit mit Traum und Imagination<br />

und jetzt, beim Singen, merkt sie, dass dieses Liedchen neben einer gewissen<br />

Unschuld (Kinderwelt) auch eine ordentliche Portion Trotz ausdrückt. Durch diese<br />

Diskrepanz zwischen heiler Kinderwelt und Gegen-etwas-trotzen empfindet sie<br />

nun, dass in Wirklichkeit alles sehr traurig ist. Sie beginnt zu weinen und erinnert<br />

sich nun daran, dass die Großmutter tatsächlich überfahren wurde, als Miriam drei<br />

Jahre alt war. Da ihre Mutter aber hochschwanger gewesen war, durfte der Tod<br />

nicht zu tragisch genommen und schon gar nicht betrauert werden. Es wurde als<br />

peinlich empfunden, sich emotional gehen zu lassen. Würde und Haltung mußten<br />

gewahrt werden. Miriam hat erfasst und verstanden.<br />

Die Gruppenmitglieder improvisieren intuitiv eine Trauermusik, die sehr warm<br />

und tröstlich klingt. Miriam kann dabei weiterweinen und den Tod der Großmutter<br />

betrauern. Eine seelische Weitung ist spürbar.<br />

Musiktherapie machte es hier durch den gestalteten musikalischen Ausdruck der<br />

unheimlichen Atmosphäre möglich, einen Zugang zu der verhinderten Trauer zu<br />

finden, und die ganze Problematik des Totschweigens eines emotional sehr<br />

bedeutsamen Ereignisses offen zu legen. In der Atmosphäre hatten sich diese Pole<br />

verdichtet und dadurch, dass Miriam sie selber nachschuf, konnte sie diese seelische<br />

Realität rekonstruieren. Durch die Identifikation mit Sys, ihrem kindlichen Alter<br />

Ego (das gleichzeitig ein Hinweis auf die noch ungeborene Schwester sein könnte)<br />

und durch die trotzige Kindermelodie wurde der Konflikt deutlich. Die<br />

Gruppenimprovisation gab den Boden für den Ausdruck der Trauer. In der<br />

musiktherapeutischen Bearbeitung dieses Traumes war das psychoanalytische<br />

Konzept der Konfliktverdrängung sehr nützlich. In der Trotzphase wird nichts<br />

mehr hergegeben, auch nicht die Trauer, die damit nicht gelebt werden konnte.<br />

Lenes Traum ( 40 Jahre)<br />

Lene hatte vor zwei Jahren einen sehr schweren Verkehrsunfall erlitten. Ihr<br />

Gesicht war total entstellt. Sie musste mehrere Operationen über sich ergehen<br />

lassen, die nicht zufriedenstellend verliefen.<br />

"Da ist ein Boot, das auf einem blutigen Sumpf fährt. Viele Menschen sind<br />

darauf, ich auch. Da sind zwei lächerliche Männlein (Samurais), ich weiss, ich<br />

brauche mir von denen nichts vorschreiben zu lassen. Auf dem Boot ist es verboten<br />

zu spielen. Wir landen und da steht X (Teilnehmer aus der Gruppe), nur als sehr<br />

alter Mann mit Mönchskutte. Am Boden liegt eine Geige. Ich hebe sie auf und er<br />

sagt, sie sei wertlos, gibt mir aber den Bogen. Damit gehe ich aufs Boot <strong>zur</strong>ück und<br />

spiele, während wir <strong>zur</strong>ückfahren, innerlich. Also nur ich höre die Musik. Es regnet<br />

wie Tränen und der Bogen fängt die Tränen auf. Ich steige aus dem Boot aus und<br />

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