29.05.2014 Aufrufe

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Macht der Musik<br />

therapeutinnen zunehmend nonverbale und kreative Methoden wie musiktherapeutische<br />

Techniken in ihre Arbeit integrieren, mag es gelingen, an alte Traditionen<br />

wieder anzuschließen. Trotzdem gilt nach wie vor das Wort Norbert Linkes, wonach<br />

„die individualpsychologische Musiktherapie noch der Erschließung harrt“<br />

(Linke, 1985).<br />

Von den neueren Publikationen individualpsychologischer Herkunft möchte ich<br />

vor allem auf Dorothea Oberegelsbacher (1997) verweisen, die musiktherapeutisches<br />

Improvisieren als eine via regia für analytisch orientiertes Arbeiten bezeichnet<br />

und Bezüge <strong>zur</strong> Individualpsychologie herstellt.<br />

Grundzüge der Individualpsychologie<br />

Die Individualpsychologie ist eine tiefenpsychologische Schule und richtet ihre<br />

Aufmerksamkeit auf unbewusste Strategien in der Bewältigung der Lebensaufgaben.<br />

Das Verhältnis <strong>zur</strong> Psychoanalyse war durch die feindselige Abgrenzung und Ausgrenzung<br />

in der Vorkriegszeit sehr getrübt, heute ist dies nicht mehr so, da beiden<br />

Schulen bewusst ist, dass es viel mehr Gemeinsames als Trennendes gibt. Auch in<br />

der Individualpsychologie haben frühkindlich erworbene Muster der Beziehungen<br />

zum Selbst und zu den Objekten einen hohen Stellenwert, in der individualpsychologischen<br />

Analyse kommen die Konzepte von Übertragung und Gegenübertragung<br />

und viele technische Aspekte ebenso <strong>zur</strong> Anwendung wie in der Psychoanalyse.<br />

Wofür steht nun aber die Individualpsychologie? Adler betrachtete seine Schule<br />

vor allem als eine soziale Bewegung, die viel mehr Anliegen hat als die Psychotherapie,<br />

nämlich auch Schulpädagogik, Erziehungsberatung oder Sozialpolitik mit basisdemokratischen<br />

Ansätzen. Für Adler ist entscheidend, dass alle Menschen - Gesunde<br />

und Kranke - in ihrer Kindheit gegenüber Erwachsenen oder anderen Kindern<br />

(Geschwister) regelmäßig Kränkungen, Benachteiligungen oder Unterdrückung erfahren<br />

(„Minderwertigkeits-komplex“) und Zeit ihres Lebens versuchen, diese Minusgefühle<br />

in eine Plussituation zu verwandeln, und zwar im Sinne von geglückter<br />

Kompensation „auf der sozial nützlichen Seite des Lebens“ mit gutem und gesundem<br />

Selbstwertgefühl, oder im Sinne von Überlegenheitsgefühlen und offenem oder<br />

verdeckten Machtstreben durch auffälliges Verhalten, Anpassungsstörungen, neurotische<br />

Symptome, dissoziales Verhalten, Sucht und andere psychische Störungen.<br />

Adler betonte, dass auch soziale Aspekte zu einem Minderwertigkeitsgefühl führen<br />

können, wobei er insbesondere auch die gesellschaftliche Benachteiligung von Mädchen<br />

und Frauen heftig kritisierte. Für Adler ist die Bewegung des Individuums<br />

„von unten nach oben“ das Kriterium der Entwicklung, den eingeschlagenen Weg<br />

bezeichnet er als „Lebensstil“, den zu verstehen eine vordringliche Aufgabe ist.<br />

307

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!