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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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DOROTHEA OBEREGELSBACHER<br />

Der verletzliche Junge mit dem Wunsch nach den Zauberutensilien hat sich in<br />

Gegenwart der Therapeutin und gemeinsam mit ihr zu diesen Werkzeugen tapfer<br />

durchgeschlagen, durchgespielt. Er hat sich in gewisser Weise wohl auch einen Sinn<br />

dieses ganzen erarbeiten können: Unter Anhörung seines eigenen Inneren ist er sich<br />

selbst allmählich zu jemandem geworden, dem er etwas zutrauen kann. Schließlich<br />

kann er sich freiwillig zum Arzt begeben, relativ einverstanden mit dem, was zu<br />

seinem Wohle getan werden muß.<br />

Unbewußtes Material teilt sich in spontanem Singen mit<br />

Dieses Beispiel handelt von Franziska, einer 21jährigen Frau, die hirngeschädigt<br />

ist, seit sie als 16-jährige von einer Gehirnhautentzündung befallen wurde. Sie<br />

besucht seit einem Jahr ambulant einmal pro Woche die Einzel<strong>musiktherapie</strong>.<br />

Franziska ist deprimiert über den Verlust ihrer Gesundheit und das Leben von<br />

früher, als sie eine lebenslustige Gymnasiastin war. Wenn sie sehr verzweifelt ist, will<br />

sie sich umbringen und versucht im Stadtverkehr auf den Schienen einer<br />

Straßenbahn entgegenzulaufen. An weniger belastenden Tagen versucht sie wie<br />

besessen Sport zu betreiben, wenig zu essen, in der Hoffnung abzunehmen, wieder<br />

attraktiv wie früher zu werden und einen Freund zu finden. Sie lebt nicht mehr bei<br />

ihren Eltern, sondern in einer geschützten Wohngruppe, wo sie auf ein<br />

selbständiges Leben vorbereitet werden soll.<br />

Obwohl sie Gedächtnisstörungen und schwere Sprachstörungen hat – sie kann<br />

ihren Gedankenduktus nur in bruchstückhaften Sätzen stammeln – ist ihr<br />

Unbewußtes nicht behindert. Das manifestiert sich auf eindrucksvolle Weise in<br />

einem spontanen Liedchen. Franziska kommt an jenem Tag müde vom<br />

Tageszentrum in die Therapie. Sie hat Kreislaufprobleme, fühlt sich nicht wohl und<br />

hat schwere Augenlider, die ihr immer wieder zufallen. Sie befindet sich in einem<br />

Zustand, der an ihrer Psychotherapiefähigkeit zweifeln läßt.<br />

Nach einer kurzen gelenkten Entspannung durch meine Stimme soll zuallererst<br />

Befreiung von jedem Druck und jeglicher Leistungserwartung erreicht werden. Es<br />

wird ruhig und still, wobei meine summende Stimme hie und da einen schützenden<br />

Hintergrund anbietet. So bleibt es eine Weile. Mit der Zeit entwickelt sich ein<br />

kleines, einfaches Spiel auf der Gitarre, die auf einen wohlklingenden Akkord<br />

gestimmt ist und von Franziska mit den leeren Saiten angespielt wird, und zwischen<br />

der Trommel, von mir gespielt. Die Musik hat keinen klaren Rhythmus, keine<br />

Melodie und vermittelt doch eine Art von Präsenz - auch wenn sie beinahe<br />

langweilig wirkt. (Ich habe diese Art von Musik im Laufe der Jahre zu respektieren<br />

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