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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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GISELA M. LENZ<br />

Grundlegend könnte man sagen, es werden Erfahrungen mit unterschiedlichsten<br />

Intensitäten gemacht. Unbekanntes verliert seine Schrecken und so können unterschiedliche<br />

Gefühls-Räume erschlossen und integriert werden. Qualitäten wie “auf<br />

der selben Wellenlänge sein”, “wir haben uns getroffen”, Teilen von Affekten und<br />

Gefühlen, “sich anstecken lassen” können, “ich kann etwas bewirken” und “ich bekomme<br />

Antwort” werden meist zum ersten Mal erlebt. Diese Momente von Glück,<br />

die im Jetzt geschehen (“now-moments”), haben <strong>zur</strong> Folge, daß das “miteinandersein”<br />

nicht mehr als nur anstrengend erlebt wird. Es fühlt sich gut an und das ist<br />

eine Voraussetzung für ein befriedigendes, soziales Miteinander.<br />

Was trägt zum Gelingen einer Mutter-Kind-Therpaie bei? Meiner Erfahrung<br />

nach sind es weder Anzahl oder Regelmäßigkeit der Therapie-Sitzungen. Was zählt,<br />

ist, daß die Qualität der “now-moments” überhaupt erreicht werden kann. Wenn<br />

diese Ebene einmal auftaucht, sind die Weichen für ein Gelingen gestellt. Bei der<br />

notwendigerweise verkürzten Fall-Darstellung war mir daher daran gelegen, die Bedeutung<br />

dieser Ebene hervorzuheben.<br />

Eltern und ihre schwierigen Säuglinge stellen ein neues Klientel - auch für die<br />

Musiktherapie - dar. Die neue Situation ist für alle, Eltern und Baby, einzigartig. In<br />

der Mutter formiert sich mit der Geburt eines Kindes eine neue psychische Organisation,<br />

die Stern (1998) als “Mutterschafts-Konstellation” bezeichnet. Frauen, die<br />

Schwierigkeiten haben, sich in dieser Situation <strong>zur</strong>echt zu finden, wollen keine<br />

Therapie, brauchen aber Hilfe - daher muß das therapeutische Angebot daraufhin<br />

abgestimmt werden. In traditionellen Gesellschaften sind es erfahrene Frauen, die<br />

für Frauen, die ein Kind geboren haben, <strong>zur</strong> wichtigsten Person werden.<br />

Wenn eine Therapeutin diese Rolle übernimmt, muß sie eine annehmende und<br />

unterstützende Haltung einnehmen, nur so kann die Mutter Zugang zu ihrem ureigenen<br />

mütterlichen Repertoire finden.<br />

Musiktherapie ist gut geeignet, ein positives Holding herzustellen. Klang berührt<br />

Mutter und Kind unmittelbar - sie teilen den selben Empfindungs-Raum. Gemeinsames<br />

Improvisieren fördert eine tiefe Bezogenheit und der unterstützende<br />

Aspekt des gemeinsamen Tuns schafft Raum für die individuellen Schritte, die jede<br />

Mutter für sich herausfinden muß.<br />

Die Arbeit mit Mutter und Kind erfordert ein weites therapeutisches Repertoire.<br />

Es findet ständig ein Ebenenwechsel statt: Babies erwarten direkte, spontane Reaktionen,<br />

es bleibt kein Raum für Reflektionen, Einschätzungen oder Konzepte. Gefragt<br />

ist das freie Spiel, sich anstecken lassen – reine Improvisation.<br />

Streß, Angst und Panik beeinträchtigen den Säugling bei der Ausbildung seiner<br />

Fähigkeit <strong>zur</strong> kreuzmodalen Verknüpfung. So wird heute diskutiert, ob Lern- und<br />

Teilleistungsstörungen ihren Beginn in dieser Lebensphase haben und in einer<br />

schwierigen frühen Mutter-Kind-Beziehung begründet sind (Stern, 1985). In diesem<br />

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