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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Spezifische Aspekte in der musiktherapeutischen Beziehung<br />

Verbindung zwischen der Unübersetzbarkeit von Klang und Rhythmus und dem<br />

verlangsamten Tempo des Patienten zu schaffen. Genau wie ein Kind in seiner<br />

ersten Lebensperiode von seiner Mutter gehalten und getragen wird, so kann auch<br />

der depressive und psychotische Patient nur durch dieselbe körperliche affektive<br />

musikalische Auseinandersetzung wieder in Verbindung mit dem Leben treten.<br />

Auch für den neurotischen Patienten gibt es Vorstadien, die die Bewußtwerdung<br />

von unbewußten Konflikten beinhalten. Diese Vorstadien haben sämtlich mit<br />

defensiven Verhaltensweisen zu tun, wie wir sie aus der Neurose-Behandlung<br />

kennen. Worte können zudecken, deformieren und heucheln. Ein authentisches<br />

Sprechen, wie wir es z. B. auf eine eminente Weise in dem Sprechen eines Kindes<br />

wahrnehmen, kann nur entstehen, wenn es unter anderem in Verbindung mit dem<br />

Gefühl steht.<br />

Wenn wir zuviel mit dem Verbalisieren und Deuten beschäftigt sind, verlieren<br />

wir den Boden unter den Füßen und gehen völlig in dem mentalen, intellektuellen<br />

Denken auf, weg vom Gefühl. Ein Übermaß an Worten kann Gefühlserfahrungen<br />

töten. Worte können den Erlebnisprozeß hemmen, ja sogar komplett unmöglich<br />

machen. Bevor eine Erfahrung das Niveau der Sprache erreicht, soll sie erst völlig<br />

‚ausgefühlt‘ werden und durch das Mittel der Musik eine Gestalt bekommen. Die<br />

Erfahrung entsteht erst in einer äußeren, freien Form, bevor sie durch das Subjekt<br />

verinnerlicht werden kann. Für unsere musiktherapeutische Arbeit ist es wichtig zu<br />

wissen, dass das Erlebnis nahe bei der Einsicht liegt. In dem Augenblick, in dem<br />

man den Konflikt durch eine Form zulassen und erfahren darf, ist dieses ein<br />

natürlicher Weg <strong>zur</strong> Einsicht. Es kann nicht zu einer Einsicht kommen, ohne die<br />

Erfahrung.<br />

Andererseits kann man natürlich in Gefühlsträumereien absinken und auf diese<br />

Weise nie zu einer erlösenden Einsicht kommen. Es besteht eine Gefahr, daß die<br />

Musiktherapie in die Abwehr des Patienten abgleitet und zu einer amüsanten und<br />

kunstsinnigen Freizeitbeschäftigung degradiert, einem l'art pour l'art, wird. Aber<br />

selbst in dieser Kunstform können Gestalten entstehen, die von großem Wert sein<br />

können und reich an Erfahrungen sind. Es ist gut, daß der Musiktherapeut den<br />

Rahmen so kreiert, dass der Patient erfährt, daß nicht gesprochen werden muss,<br />

aber daß, falls das Bedürfnis danach besteht, es möglich ist, sich zu artikulieren. Der<br />

Therapeut soll dem Patienten gegenüber Raum lassen, um bei einer intensiven<br />

Erfahrung diese auch mit Bildern und Wörtern verbinden zu können.<br />

Auch bei musikalischen Gruppeninteraktionen tun sich Phänomene auf, welche<br />

nicht für jedermann sichtbar und hörbar sind, es jedoch werden, wenn sie durch<br />

Mitpatienten oder durch Musiktherapeuten ausgesprochen werden. Auch bei<br />

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