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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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ROLAND WÖLFLE<br />

was ihr sonst nur unter Alkohol gelungen war - dann aber unkontrolliert und destruktiv.<br />

Als nächsten Schritt konnte sie eine bessere Balance zwischen den Polen<br />

„liebes Mädchen“ sowie „aggressive Furie“ finden, wobei ihr der Zweck, den Alkohol<br />

in diesem Zusammenhang gespielt hatte, gut verdeutlicht werden konnte.<br />

4. Aufmerksamkeit durch Trotz und Rebellion, „männlicher Protest“<br />

Herr W., 21 Jahre, ist mit einer Familiensituation konfrontiert, in welcher nach<br />

seiner Auffassung sein 6-jähriger Stiefbruder bevorzugt wird. Aufgrund eines Kryptorchismus<br />

(Entwicklungsstörung des Hodens) bestehen ein Kleinwuchs und ein<br />

femininer Behaarungstyp. Er hat mehrere Behandlungen mit männlichen Geschlechtshormonen<br />

hinter sich. Alkohol hat u.a. dazu gedient, im Rahmen seiner<br />

Identitätsproblematik Verhaltensweisen auszuleben, die er als besonders männlich<br />

empfand. Dieses Verhalten wird von Adler auch als „männlicher Protest“ beschrieben.<br />

Das schon erwähnte Spiel mit dem „Schnatterhammer“ mobilisierte sehr rasch<br />

die Wut des Patienten auf seinen kleinen Bruder. Er selbst nahm dann ein Kinderxylophon,<br />

welches er förmlich traktierte, indem er laut und unkoordiniert spielte, auch<br />

neben die Metallplättchen aufs Holz schlug etc. Anhand dieses Spiels ließ sich gut<br />

verdeutlichen, wie Herr W. selbst durch lautes und störendes Verhalten die Familienmitglieder<br />

auf sich aufmerksam macht und die Zuwendung von seinem Bruder<br />

ablenkt. So wie er das aggressive Spiel auf dem Xylophon genoss, machte es ihm zu<br />

Hause auch Spaß „Radau“ zu machen. Hier hatte Alkohol eine wichtige, enthemmende<br />

Funktion, wenn er etwa in angetrunkenem Zustand mitten in der Nacht über<br />

eine halbe Stunde sein Moped vor dem Schlafzimmer der Eltern laufen ließ. In der<br />

Gruppe und insbesondere im Rahmen der Improvisationen gelang es ihm, von diesen<br />

provokativen Strategien abzusehen und zeigte eine Seite, in der er sich sehr gefühlsvoll<br />

auf andere einstellen konnte, insbesondere in Form von dialogischem und<br />

komplementärem Spiel. Von der Gruppe bekam er viele positive Feedbacks.<br />

5. Von allen geliebt werden wollen<br />

Herr G., 47 Jahre, bedient sich in der Vorstellungsrunde einer Marimba, die er<br />

sehr rhythmisch und staccatoartig spielt. Assoziationen aus der Gruppe sind: Baustelle,<br />

Fleiß, Dachstuhl, viele Leute nageln, dienstbarer Geist, der immer hin- und<br />

herhuscht. Die Mitpatienten, die seinen Beruf nicht kannten, sind überrascht, als er<br />

mitteilt, tatsächlich Zimmermann zu sein. Durch die Beiträge der Gruppenteilnehmer<br />

kommt Herr G. sehr rasch auf seinen Grundkonflikt: Er wolle es allen recht<br />

machen, was ihn überfordere und ihn in Stress bringe. Alkohol diene <strong>zur</strong> Erleichterung<br />

und <strong>zur</strong> Entspannung. Sein schlechtes Selbstwertgefühl versuche er durch<br />

Fleiß und Gefälligkeit zu kompensieren. Den zunehmenden inneren Druck und die<br />

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