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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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GABRIELE ENGERT-TIMMERMANN / TONIUS TIMMERMANN<br />

Spüren sind im frühesten Erleben verbunden. Gleichgewicht ist die Balance der<br />

Teile in der Ganzheit in Bezug <strong>zur</strong> Schwerkraft. Körperwahrnehmung und<br />

Schallwahrnehmung, die sich über Schwingung vermitteln, sind nicht getrennt.<br />

Diese Phänomene fundieren die therapeutische Arbeit mit dem Atem. Der<br />

Mensch wird über Berührung (Einzelbehandlung, Partnerübungen usw.) und<br />

Stimme (verbale Anregung und Aufarbeitung, Vokalraumarbeit und Tönen) zum<br />

ganzheitlichen Erleben und Empfinden angeregt. Während sich das Hören in der<br />

Entwicklung vom pränatalen zum postnatalen Leben sukzessiv differenziert und<br />

erweitert, gibt es im Hinblick auf die Atmung einen Sprung: Selbst zu atmen<br />

bedeutet Emanzipation und Autonomie - und das heißt auch Trennung. Das<br />

therapeutische Potential der Musiktherapie wird durch die Einbeziehung des<br />

Körpererlebens und des Atems erheblich erweitert. Speziell für das hier behandelte<br />

Zusammenwirken von Atemtherapie und Musiktherapie sind die oben geschilderten<br />

Zusammenhänge als Grundlagen evident.<br />

Die vorsprachliche Zeit<br />

Die Bedeutung des Geburtsvorganges wird von einigen<br />

Psychotherapierichtungen mit Recht (wenn auch nicht immer in der propagierten<br />

Ausschließlichkeit) betont. Er stellt einen prägenden Übergang dar: Der individuelle<br />

Atem beginnt zu fließen, Außenbewegung wird <strong>zur</strong> Innenbewegung. Die<br />

vorsprachliche Entwicklungsphase umfaßt die Zeit vor, während und nach der<br />

Geburt. Hier hat Sprache in ihrem semantischen Gehalt keinerlei Bedeutung. Was<br />

sich vermittelt, sind Stimmklang, Lautsphäre und körperliche Berührung. In diesem<br />

Beziehungsfeld bilden sich die Grundmuster der Persönlichkeit aus.<br />

Die Stimme der Mutter bildet die Brücke zwischen dem intrauterinen Erleben<br />

und der Erfahrung der äußeren Welt. Hinzu kommen nach der Geburt auf der<br />

akustischen Ebene: Saug- und Schmatzgeräusche, Stimmklänge des Vaters und<br />

anderer früher Bezugspersonen, deren Zusammenklänge, Töne und Geräusche des<br />

Alltags im Haus und von draußen, Musik (Decker-Voigt 1991, S. 116 f.), sowie auf<br />

der taktil-haptischen Ebene die Art und Weise des persönlich angebotenen<br />

Körperkontaktes, den die Mutter und andere Personen aus dem frühen Umfeld<br />

offerieren. Auch Berührung ist bereits eine Form von „Sprache“ und dient,<br />

gemeinsam mit den stimmlichen Äußerungen, der Mitteilung wesentlicher Inhalte:<br />

Bin ich willkommen? Bin ich geliebt? Genießt die Mutter (hier auch als Symbol für<br />

die Welt) mein Dasein oder ist dies eine Welt des Verdrusses, der Angst, des<br />

Leidens? Wenngleich der Säugling natürlich nicht in unserer Weise „denkt“, breiten<br />

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