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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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GISELA M. LENZ<br />

ter ist schweißgebadet und erzählt, daß das seit der Geburt so gehe. Manchmal<br />

schreit er so, daß er ganz blau wird; in diesen Situationen hätte sie schon öfter den<br />

Notarzt geholt, weil sie Angst hat, daß er stirbt. Sie kann das Kind einfach nicht<br />

beruhigen. Georg war auch ganz verkrampft auf die Welt gekommen - vielleicht<br />

hatte er gespürt, daß er unerwünscht war.<br />

Frau N. gibt sich große Mühe. Sie besucht eine Still-Gruppe und eine Baby-<br />

Massage-Gruppe und ist sehr unglücklich, daß alles doch nicht hilft.<br />

1. Stunde<br />

In die erste Stunde bringt sie ihren Mann mit. Sie ist von atemloser Hektik, er<br />

wirkt verschlossen und etwas unbeholfen. Frau N. berichtet über grauenvolle<br />

Nächte und anstrengende Tage und sagt, daß sie selbst am Ende sei. Außerdem<br />

habe sie einen Blutdruck von über 160 mmHg, den müsse sie immer wieder kontrollieren...<br />

Sie selbst sei auch permanent aufgeregt und unruhig und wünsche sich,<br />

daß Georg so wird wie ihr Mann, so ruhig und ausgeglichen. Georgs Vater wirkt in<br />

dieser Stunde sehr unterstützend. Er nimmt das Kind, wenn es unruhig wird, und<br />

mit meiner klanglichen Unterstützung kann er es gut beruhigen.<br />

Als Georg eindeutige Zeichen von Hunger zeigt, ist Frau N.´s Unsicherheit zu<br />

spüren. Sie weiß nicht, ob er jetzt wirklich Hunger hat, ist aber bereit, “es zu probieren”.<br />

Zu ihrer großen Überraschung trinkt das Kind problemlos. In dieser Situation<br />

frage ich den Vater, ob er Monochord spielen möchte. Er läßt sich darauf ein<br />

und es entsteht eine Atmosphäre von Frieden im Raum. Ich gebe Frau N. eine Anregung,<br />

den Atem ruhig fließen zu lassen und frage sie dann, wie es ihr im Moment<br />

geht. Sie schaut auf: “Ich warte die ganze Zeit auf das nächste Schreien”. - “Ach,<br />

dann können Sie diesen Moment gar nicht so genießen?” - “Nein, ich bin innerlich<br />

immer mit dem Schreien beschäftigt, wann es kommt, wie lange es dauert ....”<br />

Dann liegt Georg bäuchlings auf den Knien seines Vaters. Frau N. spielt auf<br />

einem Xylophon, das zufällig direkt neben ihrem Kind steht und bemerkt, daß<br />

Georg voller Aufmerksamkeit zuhört. Es entwickelt sich ein intensiver Blickkontakt<br />

und sie fängt an, mit ihm zu sprechen. “Ah, gefällt dir das? Ja, das mag die Mama<br />

auch so gern....”<br />

Obwohl mir die Position, in der sich Georg befindet, sehr anstrengend<br />

vorkommt, ist er doch die ganze Zeit über (mindestens 15 Minuten) wie vom Klang<br />

gebannt. Ab und zu lächelt er und läßt den Kopf sinken.<br />

Am Ende der Stunde berichteten die Eltern, es hätte ihnen gut getan, auch Georg<br />

wäre anders gewesen. Er hätte zwar auch geschrien, aber nicht so schrill und endlos<br />

wie zu Hause.<br />

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