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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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Musiktherapie als psychotherapeutischer Weg<br />

Bedrohlichen, aufgeladen mit Affekten, die dann kathartisch abgelassen werden.<br />

Alles wird durch eine intensive motorische Involvierung mittels Schlägeln am<br />

Xylophon unterstützt. Es ist eine archaische Bestätigung dessen, was ist: Doktor<br />

Behran. Ohne Variationen oder anderes. Es ist was es ist. Aber es ist in<br />

Gemeinschaft gebracht und erfährt eine Bestätigung zu zweit.<br />

Der nächste Schritt: Nachdem „Doktor Behran“ ausreichend gespielt worden ist,<br />

wird in den nächsten Stunden als Element der Bohrer wichtig. Der Junge verschiebt<br />

nun seine ganze Emotion auf dieses neue Objekt. Es wird hörbar durch Tremoli<br />

und Glissandi, auf und ab, auf der Spielfläche des Xylophons. Der Junge ist es, der<br />

den Bohrer spielt und bestimmt, wie lange es dauern soll. Eine der natürlichen<br />

Grenzen wird durch das Ende der Tonskala auf den Holzstäben gebildet. („Doktor<br />

Behran“ ist mittlerweile eine musikalische Struktur in Form eines Refrains<br />

geworden.) Das Monster, das jetzt die meiste libidinöse Energie bindet, und das es<br />

zu besiegen gilt, ist der Bohrer. Und der Bohrer wird aktiv, wenn es der Junge<br />

erlaubt und will. Zu zweit spielen und imitieren wir ihn. Wenn das Instrument noch<br />

mitgezählt wird, sind wir sogar zu dritt. Wir drücken die aggressive und<br />

zerstörerische Energie aus, indem wir dieses Übergangsphänomen benützen: Wir<br />

sind der Bohrer und gleichzeitig spielen wir den Bohrer. Alles ist eins und wir sind mit<br />

dem bösen, verfolgenden Anteil identifiziert. Das Bewußtsein, vom Bohrer<br />

überwältigt zu werden, gibt es in diesen Augenblicken nicht – es existiert höchstens<br />

am Rande, wenn der Patient eine Reaktion der Erleichterung zeigt, sobald der<br />

Schlägel das obere Ende der Töne erreicht hat: Töne aus – Bohrer aus. Die<br />

Zauberformel. Der Horror hat ein Anfang und ein Ende. Darin besteht diese<br />

Erfahrung.<br />

Es ist eine Metapher, die sich bildhaft auf dem Xylophon dargestellt, aber ebenso<br />

akustisch verinnerlicht und vom gesamten Organismuns ausgedrückt wird. Immer<br />

ist es die Erfahrung, ein Trauma verlassen zu können, die zentral ist. Es geschieht<br />

mittels Umwandlung: So kann auch der Part des Bohrers musikalisch im Laufe der<br />

Zeit ein Teil des Refrains werden, von dem wir wissen, daß er als künstlerische<br />

Form bereits einen höheren Abstraktionsgrad enthält, reproduzierbar ist, mit dem<br />

Element der Wiederholung das Wiederkennen, Sicherheit und Bewältigung<br />

ermöglicht. Das unmittelbare, hereinbrechende Ereignis rückt hier auf Distanz. Der<br />

Kontext, der aus Gesang und Text gebildet ist, ermöglicht eine Kontrolle über das<br />

was ängstigt. Das Unkontrollierbare kontrollieren zu können, sich seiner auf diese<br />

Art bemächtigt zu haben, ist bereits ein Sieg. Es ist die vorweggenommene<br />

Überwindung, die geprobte Überwindung.<br />

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