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wiener beiträge zur musiktherapie band 3 theorie ... - Praesens Verlag

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MARCO NAARDEN<br />

wenn es darum ginge, beschreiben zu lernen, was er in der Praxis schon lange<br />

konnte. Wir führten danach eine Art Übertragungsübung aus. Er musste ein Lied<br />

aussuchen, das ich nicht kannte und mich mithilfe einfacher Anweisungen zu einer<br />

korrekten Begleitung hinlenken. Falsch/richtig, höher/tiefer, lauter/leiser. Das<br />

Ergebnis klang prächtig, auch wenn es dem Original nicht ähnelte. Er fand sogar,<br />

daß es besser war. Und das war es auch.<br />

Im jährlichen Konzert ragte er mit seiner Gruppe mit einem guten Rockakt<br />

besonders hervor. Er schaute professionell aggressiv in den Zuschauerraum. Eine<br />

Haltung, die auch schon vorher bei ihm ausgeprägt vorhanden war. Dieses Gefühl,<br />

diese Haltung, waren vertraut für ihn. Und doch entstanden auch neue Gefühle bei<br />

ihm, denn eines Tages bekannte er mir, was er eigentlich am allerschönsten fand:<br />

irische Volksballaden. “Das darfst du niemandem erzählen, hörst du?” Er sang<br />

dieses Genre mit viel Gefühl, und das durfte ich mittlerweile auch benennen.<br />

Dadurch veränderte sich letztendlich auch das Repertoire der Band.<br />

Nach drei Jahren Zusammenarbeit bildete sich eine neue Gruppe aus<br />

fortgeschrittenen Patienten mit Kenneth als Sänger. Jeder musste einen gleichen<br />

Anteil zum Repertoire beitragen. Bei einer Aufführung arbeiteten sie sichtbar als<br />

Team zusammen. Die Zuschauer waren durch die Ausstrahlung und die Resultate<br />

schwer beeindruckt.<br />

Sie erhielten viele Komplimente und Kenneth vor allem über seine<br />

Ausdrucksstärke. Als er hörte, daß jemand einen Keyboardspieler kritisierte,<br />

verteidigte er diesen mit den Worten: “Warum probierst du nicht, es selber besser<br />

zu machen?” Ich fragte ihn, ob er das vor ein paar Jahren auch gesagt hätte. Er<br />

schüttelte lachend den Kopf.<br />

Schlussbemerkung<br />

Was ich versucht habe deutlich zu machen ist, daß die Arbeit mit Popmusik als<br />

Teil des Behandlungsprogrammes mit forensischen Patienten äußerst effektiv sein<br />

kann. Popmusik mit ihrer impliziten Struktur und den genannten sozialen und<br />

emotionellen Aspekten kann eine Alternative bieten, um auf spielerische und sichere<br />

Art und Weise neue Verhaltensmuster und Gefühlsäußerungen einzuüben.<br />

Eine verbale Herangehensweise ist oft noch nicht möglich und kann zu Negation,<br />

Acting-out und Gegenübertragung führen, aus dem einfachen Grund, daß die<br />

Patienten auf diesem Gebiet Analphabeten sind. Im Alltag der forensischen<br />

Psychiatrie ist es darum nicht an<strong>zur</strong>aten und sogar gefährlich, gleich von<br />

vorneherein eine Zerstörung der emotionellen Maske anzusteuern. Für Patienten<br />

mit einer solch schweren Problematik ist es viel wichtiger, eine sichere Umgebung<br />

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